Süddeutsche Zeitung

Kirchen in Ottobrunn:Pioniere der Ökumene

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Im heutigen Ottobrunn teilten sich nach dem Ersten Weltkrieg Katholiken und Protestanten eine Notkirche. Am Samstag erinnern Christen beider Konfessionen an den ersten Gottesdienst vor 100 Jahren

Von Angela Boschert, Ottobrunn

"Gemeinsam unterwegs" sind evangelische und katholische Christen am kommenden Samstag in Ottobrunn. An vier Stationen wird bei einem Fackelzug durch Ottobrunn mit geistlichen Impulsen, Liedern und Gebeten an die Anfänge des christlichen Lebens in Ottobrunn erinnert, wo man aufgrund der besonderen Umstände auf 100 Jahre Ökumene zurückblicken kann.

Der von der evangelisch-lutherischen Michaelskirche organisierte Spaziergang beginnt um 17 Uhr bei der jüngsten christlichen Gemeinschaft an der Bahnhofstraße 2. Die Freie evangelischen Gemeinde, die 1986 aus einem Bibelkreis entstanden war, hat hier 2014 moderne Räume bezogen. Von dort geht es gleich zum Standort der ersten Notkirche, in der vor 100 Jahren sowohl Katholiken als auch Protestanten Gottesdienste feierten: An der Ecke Alte Landstraße/Haidgraben stand einst das Salettl, das Gartenhaus des Gasthauses zur Schwaige. Ein Gedenkstein, den die katholische Pfarrei St. Otto hier 2002 aufstellen ließ, trägt die Inschrift "Erster Gottesdienst am 1. 12. 1918". Damals wie heute stehen dort vier Kastanien- und vier Ahornbäume, welche die Geschichte der Glaubensgemeinschaften in Ottobrunn erzählen könnten.

Sie begann lange bevor die politische Gemeinde Ottobrunn am 1. April 1955 gegründet wurde. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kamen viele Ausflügler in das Waldgebiet, um das Wochenende im Grünen zu verbringen. Einige siedelten sich fest an und wünschten sich einen Gottesdienstraum. Am 27. April 1914 wurde deshalb im Salvatorkeller (Wagnerbräu) der katholische "Kirchenbauverein Neubiberg W" gegründet - das W steht für West, den Namen Ottobrunn gab es noch nicht. Das Geldsammeln für eine katholische Kirche begann.

Bis zu deren Bau sollten aber noch mehr als 20 Jahre vergehen, in denen die Gottesdienste zunächst im Salettl gehalten wurden. Evangelische und katholische Christen hatten es bei Eiseskälte in nur einer Woche errichtet. Im Türmchen hing eine geliehene Glocke, den Altar zierte eine Darstellung der Heiligen Familie, die Anton Niedermaier aus Hohenbrunn 1918 für die erste Notkirche gemalt hatte. Der evangelische Dekan Mathis Steinbauer wird sie am Samstag beim Auftakt in den Räumen der Freien evangelischen Gemeinde zeigen und bei gutem Wetter mit zum "gemeinsamen ökumenischen Unterwegssein" nehmen.

Das kirchliche Leben im Provisorium damals war trotz widriger Umstände im Winter - mehr als einmal froren Wasser und Wein ein und mussten in der benachbarten Wirtsküche aufgetaut werden - rege. Schon 1916 wurde dem Kirchenbauverein ein Grundstück geschenkt. Dekan Haubenthaler von Oberhaching machte einen "Hieb" im Pfarrwald, sodass eine Militärbaracke in Oberschleißheim gekauft, saniert und auf dem jetzigen Kirchplatz aufgestellt werden konnte. Mit der Weihe dieser Holzkirche im Januar 1921 bestätigte Erzbischof Michael von Faulhaber den Namen "Heilige Familie", die von nun an Heimat der katholischen Gläubigen sein sollte. An ihrer Stelle wurde 1936 die Kirche St. Otto errichtet und am 11. April 1937 geweiht.

Die evangelischen Christen versammelten sich seit 1928 in der Waldkirche an der Gartenstraße, der dritten Station des ökumenischen Spaziergangs. Hier, im umgebauten Umkleideraum einer Turnhalle, hat heute die Evangelische Jugend ihren Sitz. So musiziert dort auch der Jugendchor der Michaelskirchengemeinde unter Leitung von Christoph Demmler.

Doch für die wachsende Gemeinde wurde die Waldkirche bald zu klein. Der 1954 neu gegründete "Kirchenbauverein Neubiberg-Ottobrunn" sammelte Spenden für einen Kirchenneubau. Die Michaelskirche konnte am 15. März 1964 in der Ganghoferstraße eingeweiht werden.

Der Umzug von der Waldkirche in die Michaelskirche stand unter dem Motto "Gemeinschaft feiern". Die Ottobrunner Pfarrverbände laden alle Interessierten ein, am Samstag ebenso "gemeinsam unterwegs" zu sein und ein Zeichen zu setzen für die Ökumene in Ottobrunn. Zum Ausklang in der Kirche St. Otto, der vierten Station, gibt es von etwa 19 Uhr an bei einem Imbiss im Pfarrsaal Gelegenheit zum Gedankenaustausch. Der Vokalkreis 65 plus unter der Leitung von Helga Draugelates musiziert.

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Quelle:
SZ vom 29.11.2018
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