Süddeutsche Zeitung

Gräfelfing:Noch dominiert das Auto

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Ein umfassendes Zahlenwerk zeigt auf, wie es in Gräfelfing um den Verkehr bestellt ist. Vor allem der Fahrradverkehr hat großes Potenzial.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

"Sie haben ordentlich Verkehr in Gräfelfing." Das ist das wenig überraschende Fazit der Verkehrsplaner, die das Gesamtverkehrskonzepts erstellt und am Dienstag dem Gemeinderat vorgestellt haben. Gefühlte Wahrheiten - etwa das Chaos auf der Bahnhofstraße, verursacht durch viel Autoverkehr, oder der Mega-Stau zu Stoßzeiten auf der Pasinger Straße - sind jetzt in ein Zahlenwerk gegossen. Damit ist der erste Schritt im Gesamtverkehrskonzept vollbracht. Spannender wird voraussichtlich der Leitlinien-Workshop am 9. Februar, wenn die Gemeinderäte in einer Sondersitzung ihr Zielbild in Sachen Verkehr für Gräfelfing formulieren werden.

Die Pandemie hat die Arbeit am Verkehrskonzept erheblich verzögert. Workshops, in denen sich Bürger, Unternehmer und Schulen mit der Verkehrssituation in Gräfelfing beschäftigt haben, konnten erst vergangenen Herbst stattfinden. Nach zwei Jahren Arbeit ist das 166 Seiten starke Zahlenwerk endlich komplett, samt Bürger- und Unternehmerbefragung sowie Erreichbarkeitsanalysen und Verkehrszählungen.

Was Gräfelfingerinnen und Gräfelfinger tagtäglich erleben, bestätigen jetzt die Verkehrsplaner: die Bahnhofstraße ist der Verkehrs-Hotspot schlechthin in der Gemeinde. 920 Autos werden dort pro Stunde gezählt, "das ist eine hohe Belastung", stellte Alisa Picha-Rank vom Ingenieurbüro Obermeyer fest. Der Autoanteil in der zentralen Einkaufsstraße macht 75 Prozent aus, nur 15 Prozent entfallen auf das Fahrrad und fünf Prozent der Bürger kommen zu Fuß. Je weiter man sich vom Ortszentrum entfernt, desto höher wird der Autoanteil am Gesamtverkehr.

Die Bahnhofstraße ist der Schwerpunkt in der Unfallstatistik

Die Bahnhofstraße leidet aber nicht nur unter Autoverkehr. Die Gehwege sind oft vollgestellt mit Werbetafeln, Stühlen und Tischen oder Fahrradständern und damit zu schmal, so dass Fußgänger auf den Fahrradstreifen ausweichen müssen, der ohnehin nicht ideal auf dem Gehweg integriert ist. Und obendrein parken Liefer-Lastwagen öfter auf dem Gehsteig. In der Unfallstatistik bildet die Bahnhofstraße den Schwerpunkt.

Eines mag an der Verkehrsanalyse doch überrascht haben: Parkplatznot gibt es nicht in Gräfelfing, auch nicht auf der Bahnhofstraße. Denn die Gräfelfinger betreiben "Parkplatz-Hopping", sagte die Verkehrsexpertin. Viele fahren mit dem Auto von Laden zu Laden auf der Bahnhofstraße und nutzen so fünf Stellplätze innerhalb von zwei Stunden. "Würden sie keinen Parkplatz finden, würden sie das nicht machen." Die zentral gelegene Tiefgarage unter dem Bürgerhaus kennen viele Gräfelfinger hingegen gar nicht. Sie ist nur zu etwa 40 Prozent ausgelastet.

Die Gräfelfinger haben eigentlich beste Voraussetzungen, den Autoverkehr zu reduzieren: In rund 20 Minuten ist man aus weiten Teilen der Gemeinde zu Fuß im Ortszentrum, hat Tobias Kipp vom Mobilitätsberatungsbüro Teamred, das ebenfalls in die Analyse involviert ist, ausgerechnet - mit Ausnahme des Gewerbegebiets. "Zu Fuß zu gehen ist ein gutes Verkehrsmittel", dies sollte man bei künftigen Planungen nicht vergessen. Auch mit dem Fahrrad findet man "ideale Bedingungen" vor: In zehn Minuten ist man vom Ortsrand im Ortszentrum und sogar in einer halben Stunde in der Landeshauptstadt. Allerdings hapert es doch an einigen Stellen an guten Radwegeverbindungen. Auch ein vielseitiges Angebot an Bus- und Bahnverkehr gibt es. Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben in der Online-Befragung allerdings deren Unzuverlässigkeit bemängelt.

Der Fokus liegt jetzt auf den Leitlinien, die die Gemeinderäte erarbeiten müssen und die im Gemeinderat beschlossen werden. Aus ihnen lassen sich dann konkrete Maßnahmen ableiten, um die Verkehrsströme in Gräfelfing zu lenken und zu optimieren. Der fertige Maßnahmenkatalog soll im September 2022 vorliegen. Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme können Bürger auf der Gemeindehomepage lesen.

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