Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Fehlercode vom Amt

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Die Gesundheitsbehörde für München-Land kann seit Freitag keine Daten mehr ans RKI übertragen - deshalb fehlen verlässliche Fallzahlen und Inzidenzwerte.

Von Lars Brunckhorst, Landkreis München

Erst war es die Flut der Fallzahlen, jetzt ist es die Computersoftware: Das Gesundheitsamt München-Land kriegt eine aktuelle Meldung stimmiger Corona-Daten seit Wochen nicht auf die Reihe - und erntet dafür Hohn und Spott. Mal sei Weihnachten, mal Neujahr oder Urlaub, ein anderes Mal sei es schon fünf Minuten nach 14 Uhr und damit zu spät für die Statistik, spottet ein SZ-Leser. Wer hohe Corona-Zahlen melde, habe außerdem nur Probleme - "Lockerungen sind dann schwer zu verkaufen".

Im Landratsamt, dem das Gesundheitsamt untersteht, weist man solche Vermutungen zurück. "Die vom Gesundheitsamt im Landratsamt München täglich übermittelten Daten zu Neuinfektionen im Landkreis München können aufgrund eines Fehlers in der zur Übermittlung eingesetzten Software aktuell nicht beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sowie beim Robert Koch-Institut (RKI) importiert werden", lautet die etwas umständliche Begründung für die seit Tagen fehlerhaften Zahlen. Die Folge: Die vom RKI ausgewiesene Sieben-Tage-Inzidenz für den Landkreis München sei daher "derzeit deutlich zu niedrig", so das knappe Eingeständnis.

So war auf dem Dashboard des RKI am Montagmorgen eine Inzidenz von 934,6 im Landkreis zu lesen - der niedrigste Wert seit fast einem Monat. Für das Wochenende hatte das RKI Werte von 1064,4 (Sonntag) und 1288,6 (Samstag) angegeben - auch diese viel zu niedrig. Erst am Freitag war die Inzidenz für Donnerstag vom zunächst gemeldeten Wert 1589,5 auf 1767,3 nach oben korrigiert worden. So geht das seit Wochen: Die morgens vom RKI bekannt gemachten Zahlen werden am Folgetag korrigiert - stets nach oben. Die Spitzenwerte lagen an der 2000er-Marke.

Im Landratsamt sieht man die Verantwortung für die fehlerhaften Zahlen nicht beim Gesundheitsamt. Die Erfassung und Bearbeitung der täglichen Neuinfektionen durch das Gesundheitsamt sei von den aktuellen Software-Problemen nicht betroffen. "Bislang vorliegende Rückstände wurden aufgearbeitet, alle vorliegenden Meldungen der letzten Tage zeitnah und vollständig erfasst werden", so Behördensprecherin Franziska Herr.

Die Übertragung der Fallzahlen vom Gesundheitsamt zum RKI erfolgt nach Darstellung des Landratsamts in zwei Schritten: Zunächst würden Neumeldungen sowie Falländerungen in das Computerprogramm Sormas eingegeben, mit dem die Ämter seit vorigem Jahr arbeiten, anschließend würden die Daten über das Programm Survnet übertragen. Von dort werden sie an das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und das RKI übermittelt. Bei diesem zweiten Schritt liege derzeit ein technisches Problem vor, heißt es aus dem Landratsamt. So sei seit Samstag "trotz rechtzeitiger und vollständiger Veranlassung der Datenübertragung durch das Gesundheitsamt" kein Export der Daten zu LGL und RKI mehr erfolgt. "Auch weitere manuelle Versuche führen derzeit zu Fehlermeldungen des Systems", so Franziska Herr. Bereits am Freitag sei nur ein Teil der vorliegenden Daten übertragen worden.

Über Probleme mit der Corona-Meldesoftware klagen auch andere Gesundheitsämter. Allerdings scheinen im Großraum München mit Ausnahme des Münchner Gesundheitsamts die Ämter zurecht zu kommen. So gab das RKI am Montag für München und die übrigen umliegenden Landkreise Inzidenzwerte von 1606,8 bis 2142,9 an, für die Stadt München von 1708,6. Irgendwo in dieser Größenordnung dürfte erfahrungsgemäß auch der Wert für München-Land liegen. Wegen der lückenhaften Meldung stimmen auch andere Daten nicht: So haben sich in München mittlerweile laut RKI fast 19 Prozent aller Einwohner mit dem Coronavirus infiziert, im Landkreis München aber angeblich nur gut 16 Prozent. Auch in einigen Nachbarlandkreisen hat sich schon jeder fünfte angesteckt.

Das Landratsamt versichert, das Gesundheitsamt setze "alles daran, dass baldmöglichst wieder eine korrekte Meldung der Fallzahlen für den Landkreis München erfolgen kann". Man habe das RKI, das LGL sowie die technischen Verantwortlichen der beiden eingesetzten Softwares eindringlich gebeten, die technischen Probleme umgehend zu beheben - bisher jedoch ohne Erfolg. Unabhängig davon habe das Gesundheitsamt aber "das Infektionsgeschehen im Landkreis München weiterhin tagesaktuell im Blick".

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