Süddeutsche Zeitung

Garching:Ein Biber behindert die Isar-Renaturierung

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Seltene Tierarten kehren zurück, die Pflanzenwelt erholt sich - eigentlich geht die Renaturierung der Isar gut voran. Außer beim Uferrückbau in Garching. Dort macht sich ein Biber breit - und verzögert alles.

Von Jürgen Wolfram, Garching/München

Es sind vergleichsweise kleine Schritte, die zu teils sensationellen Resultaten führen: Uferbefestigungen beseitigen, Deiche rückverlegen, Kiesinseln schützen, Gumpen und Totholz belassen, wo sie sind. Flora und Fauna danken es durch die Rückkehr des Flussregenpfeifers, der Frösche und der Silberweide. "Es ist ganz toll, was da passiert, die Artenvielfalt wird zurückgewonnen", jubelt Christine Margraf vom Bund Naturschutz (BN). Am Ende fühlten sich sogar die Fische wieder wohl, ergänzt Sylva Orlamünde, Chefin des Wasserwirtschaftsamtes München.

So ist denn die Hauptbotschaft, die vom dritten Isar-Forum am Mittwoch ausging: Die Renaturierung wird fortgesetzt. In den nächsten Jahren schwerpunktmäßig zwischen Freising und Moosburg, aber etwa auch in Oberföhring, wo nach einem Hochwasser der Fischpass repariert wird, sowie in Garching. Im letzten Fall kann es allerdings zu Verzögerungen kommen, denn der Biber baut hier unermüdlich an seinem neuen Refugium. Obwohl längst genehmigt, muss der Uferrückbau in Garching also vertagt werden.

Insgesamt stehen die Zeichen zur Fortsetzung der Isar-Renaturierung so günstig wie nie zuvor. So jedenfalls schätzt Siegfried Albert von der Regierung von Oberbayern die Lage ein. Nicht nur die bisherigen Erfolge sprächen dafür, sondern ebenso eine gesicherte Finanzierung und die hohe Akzeptanz der Bürger. "Geredet worden ist genug", sagte Albert, "jetzt muss mal wieder gebaut werden." Aus Sicht der Planer könnte es Schlag auf Schlag gehen: Umbau der Dietersheimer Schwelle, Verbesserung der Uferstruktur in Oberhummel, Sicherung der Acheringer Sohlrampe, Anbindung des Garchinger Mühlbachs, Deichsanierung im Bereich Freising-Süd.

Die Dichte der Lagerfeuer ärgert die Naturschützer

Einig waren sich die Besucher des Isar-Forums, dass zugleich die neu erwachte Begeisterung der Leute für ihren Fluss durch Aufklärung besser kanalisiert werden müsse. Denn längst nicht alle Menschen respektierten die Belange der Natur, wie die "unsägliche Diskussion" über die Uferradwege zeigten. Manche müssten sich des Wertes der Flusslandschaft erst noch bewusst werden, kompromissbereiter sein und unter Umständen Einschränkungen der Freizeitnutzung in Kauf nehmen, mahnte ein Versammlungsteilnehmer. BN-Vertreterin Margraf, der in diesem Sommer die "Dichte der Lagerfeuer" ein Dorn im Auge gewesen ist, riet: "Mit den Leuten reden, reden, reden." Und notfalls mal den Zugang zu einer Kiesinsel sperren.

Die Rückkehr empfindlicher Fische macht Mut

Viel zu erzählen haben die Autoren von Masterarbeiten, die sich gezielt mit den Auswirkungen der Renaturierung auf die Fischhabitate beschäftigen. Flachwasserzonen, Störsteine und fest verankertes Totholz hätten sich als ideale Voraussetzungen für Jungfische erwiesen. Aitel, Nase und Elritze vermehrten sich etwa in einem FFH-Gebiet zwischen Freising und Moosburg ganz prächtig. In besonders natürlichen Isarabschnitten, wie etwa in der Pupplinger Au, komme sogar der empfindliche Huchen wieder vor. Wenn man bedenkt, dass der Fischbestand punktuell schon völlig zusammengebrochen war, ist dies eine gute Nachricht. Der ökologische Gesamtzustand der Isar sei also gut, konstatierte Amtsleiterin Orlamünde. Er könnte zwar noch besser sein, aber um die höchste Gütestufe zu erreichen, müsste sehr viel Geld investiert werden.

Beim Isar-Forum, zu dem stets Behörden- und Interessenvertreter zusammenkommen, die Fundiertes zu Gewässern zu sagen haben, tauchen stets Problemstellungen auf, die dem Laien auf Anhieb nicht in den Sinn kämen. So lotete Marion Letzel vom Landesamt für Umwelt diesmal aus, welche "Mikroverunreinigungen" einen Fluss durch Arzneimittel-Wirkstoffe, Haushaltschemikalien, landwirtschaftliche Stoffe, Biozide, Hormone, Industriechemikalien und hormonähnliche Stoffe belasten.

Wenn man weiß, dass in der Europäischen Union 100 000 Chemikalien auf dem Markt sind und allein in Deutschland jährlich 30 000 Tonnen Arzneimittel in der Humanmedizin zum Einsatz kommen, ahnt man: nicht wenige dieser Alltagsprodukte sind zwangsläufig gewässerrelevant. Tatsächlich können einige davon nicht einmal durch Kläranlagen zurückgehalten werden. Ein Experiment, bei dem Regenbogenforellen dem Anti-Schmerz-Wirkstoff Diclofenac ausgesetzt wurden, erbrachte laut Marion Letzel ein klares Ergebnis: "Der Stoff kommt beim Fisch nicht gut an."

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Quelle:
SZ vom 29.10.2015
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