Süddeutsche Zeitung

Die Dirigentin der Heilandskirche:Besondere Note

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Die Unterhachinger Kantorin Barbara Klose von der Heilandskirche leitet mit großem Einsatz vier Chöre. Deren Musik macht Weihnachten zu einem feierlichen Ereignis.

Von Bernhard Lohr, Unterhaching/Ottobrunn

Bevor Chorleiterin Barbara Klose an Heiligabend ihre Arme hebt, werden alle noch einmal kräftig durchschnaufen. Und dann werden die Sänger tief Luft holen - und mit ihren Stimmen den voll besetzten, festlich geschmückten Kirchenraum mit Klang erfüllen. Eine gewisse Unsicherheit gibt es noch. Doch so wie sich Barbara Klose jetzt dieser Tage anhört, scheint sie gerade noch rechtzeitig wieder auf dem Damm zu sein, damit sie mit ihren Sängern dem Weihnachtsfest in Unterhaching und auch in Ottobrunn die gewohnt festliche Note verleihen kann.

Seit 1969 ist die heute 74-Jährige an der Heilandskirche in Unterhaching. Sie kommt als Musikstudentin und gründet bald den Singkreis, aus dem sich die Kantorei mit diversen Chören entwickelt. Die Überlegungen, vielleicht Musiklehrerin zu werden, lässt die junge Frau fallen, als sie sich über Monate in Indien auf einer Forschungsreise befindet. Damals zieht sie mit dem Kassettenrekorder durch Indien, besucht Dörfer der sich selbst als Adivasi bezeichnenden Ureinwohner des Subkontinents und zeichnet deren Musik auf. An die Schule denkt sie damals im fernen Indien nicht mehr, dafür aber an ihren Chor in Unterhaching. Sie spürt Lust, mit den Sängern zu arbeiten, und zwar richtig. "Ich brauche Volldampf und möchte Musik mit ihnen machen." So geht es Klose bis heute.

So gesehen ist die Kantorin in der Weihnachtszeit in ihrem Element. Die vergangenen Tage und Wochen waren durchgetaktet. Jetzt an Heiligabend begleitet Klose mit ihrem Kantoreichor von 14.30 Uhr an den Familiengottesdienst in der Heilandskirche, dann geht es weiter um 16 Uhr mit dem Auftritt in der Christmette. Bei dem Gottesdienst im Anschluss sitzt die Kantorin an der Orgel, um gemeinsam mit einer Bratschistin zu spielen. Zum Abschluss des Tages folgt um 23 Uhr zur Christmette der Auftritt mit dem Gospel-Chor.

Über Gemeindegrenzen und konfessionelle Grenzen hinweg

Nach einer eher kurzen Nacht geht es für sie am ersten Weihnachtsfeiertag um 10 Uhr an der Orgel im Duett mit einem Trompeter weiter. Und am zweiten Weihnachtsfeiertag unternimmt die Kirchenmusikerin noch einen "ökumenischen Schlenker", wie sie sagt, und begibt sich nach Ottobrunn. Dann führt sie - den Kinderchor in Unterhaching mit eingerechnet - mit ihrem vierten Chor an der katholischen Kirche St. Albertus Magnus in Ottobrunn eine Mozartmesse auf.

Diesen gründet die Kantorin in Ottobrunn, als sich anlässlich der Kirchenweihe durch den damaligen Kardinal Joseph Ratzinger und späteren Papst Benedikt XVI. am 2. Oktober 1977 alle ein würdiges und feierliches Ereignis mit der entsprechenden musikalischen Darbietung wünschen. Man kennt sich über Gemeindegrenzen und konfessionelle Grenzen hinweg. Die Ottobrunner sprechen Klose an. Und so übernimmt sie damals ganz im Sinne einer praktizierten Ökumene das Projekt. Den Chor leitet Klose noch heute.

An das Zusammentreffen mit dem Kardinal denkt die evangelische Pfarrerstochter übrigens immer noch gerne. Zwei Welten trafen damals aufeinander, wobei sie mit einem Augenzwinkern zugibt, dass so ein katholischer Kardinal in seinem opulenten Priestergewand schon etwas hermache. Mit Pomp und Ornat können Klose und ihre Sänger weniger dienen. Doch auch sie verleihen einem Gottesdienst eine besondere Note und machen diesen mit ihrer Musik zum feierlichen Ereignis. Die Chöre arbeiten dafür sehr diszipliniert und proben viel, damit Weihnachten für alle ein Fest wird.

"Das ist wie ein Leistungssport."

Kloses Terminkalender ist voll. Doch sie ist vor Weihnachten sofort zu einem Treffen bereit. Sie sitzt in ihrem kleinen Übungsraum im evangelischen Gemeindezentrum im Fasanenpark. Das Klavier steht an der Wand. Sie trägt ein Halstuch, lutscht Halstabletten und vor ihr auf dem Tisch liegen Salbeibonbons. Klose erzählt mit angegriffener Stimme lebendig von ihrer jahrzehntelangen Arbeit. Sie hat eine halbe Kantoreistelle, die nur mit Unterstützung von Spendern und der Kirchengemeinde überhaupt finanziert ist. Die Bezahlung deckt den Einsatz nicht. Über Überstunden dürfe man nicht reden, sagt Klose. Aber sie beklagt sich nicht. Anerkennung findet ihre Arbeit allerdings. Voriges Jahr erhielt sie von der Landeskirche den Soli-Dei-Gloria-Preis für ihre Arbeit. Pfarrerin Christiane Ballhorn lobt ihre Kantorin als jemanden, der "selber Spaß an der Sache" habe und damit andere Leute "anstecken kann". Klose ist aber auch eine harte Arbeiterin. Wer nicht ständig an der Orgel übe, werde schlechter, sagt sie. "Das ist wie ein Leistungssport."

Ihr Gehör beschreibt sie als unerbittlich. "Fürs normale Leben unpraktisch", sagt sie. "Bei der Chorarbeit höre ich die Flöhe husten." Als sie das erzählt, hustet die Kantorin immer wieder selbst. Ein paar Tage nach dem Treffen bekommt sie Fieber und liegt im Bett. Sie begleitet erstmals seit 1986 nicht selbst den Kinderchor der Heilandskirche zum Auftritt auf dem Münchner Marienplatz. Sie fällt für das Konzert des Gospelchors "Gospels and Carols" vergangenen Sonntag aus. Diesmal springt mit Kirchenmusiker Andreas Wimmer vom Pfarrverband Unterhaching ein Katholik bei den Protestanten ein. Zum Weihnachtsfest will Klose wieder selbst vor ihren Chören stehen. Ein Weihnachten ohne Musik ist für sie unvorstellbar. Die Engel hätten an der Krippe gesungen und die Hirten herbeigelockt, sagt sie. "Musik ist der direkte Strahl ins Herz."

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SZ vom 24.12.2016
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