Süddeutsche Zeitung

Ökologie:Ein Puffer für den Uhu

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Naturschützer betonen die Bedeutung der Baierbrunner Schulwiese für bedrohte Arten, die im Isartal leben. Ein neuer Verein soll nun helfen, die Bebauung noch zu verhindern.

Von Udo Watter, Baierbrunn

"Die Gemeinderäte sind bisher einseitig informiert worden, wir schalten jetzt von Mono auf Stereo." Mit diesen Worten leitete Stefan Zenz, Vorsitzender der Baierbrunner Ortsgruppe des Bundes Naturschutz die Informationsveranstaltung am Freitagabend im Sport- und Bürgerzentrum ein. Zenz und seine Gäste wiesen dabei eindringlich auf die möglichen Folgen einer Bebauung der so genannten Schulwiese östlich der Hermann-Roth-Straße für bedrohte Arten wie den Uhu hin.

Das Areal am Isarhochufer ist zwar als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Gleichwohl hatte der Gemeinderat Ende Dezember in einer Sondersitzung beschlossen, die Aufstellung eines Bebauungsplans auf den Weg zu bringen: Unter anderem wegen der Möglichkeit, damit ein beschleunigtes baurechtliches Verfahren in Gang zu bringen und - vorausgesetzt, es kommt ein städtebaulicher Vertrag mit den privaten Grundstückseignern zustande - einen Teil des Geländes für die Schule zu erwerben.

Die Art und Weise des Zustandekommens - der Antrag war in einer ersten Abstimmung abgelehnt worden - sowie die Brisanz des Themas mit seinen möglichen ökologischen, politischen wie privatwirtschaftlichen Effekten hatte am Ort Aufregung ausgelöst und jetzt zahlreiche Baierbrunner ins Sportzentrum gelockt. Am Ende des Abends verkündet einer davon - Jan Kirsten Biener - die baldige Gründung eines Vereins, in dem sich Kräfte bündeln sollen, die für mehr Natur- und Heimatschutz oder auch bessere Transparenz in der Lokalpolitik kämpfen.

Allzu hitzige Diskussionen waren an dem Abend, zu dem auch einige Gemeinderäte erschienen waren, allerdings nicht zugelassen, es ging, wie der als Moderator fungierende ehemalige Bürgermeister Wolfgang Jirschik (ÜWG) betonte, um Information und Aufklärung. Was die beiden eingeladenen "Spitzengäste" (Jirschik) zu sagen hatten, war ohnehin eindrücklich genug: "Der Vogel, der über allem schwebt, ist der Uhu", sagte Manfred Siering, bekannter Ornithologe und Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Grünwald-Straßlach-Dingharting. Die größte Eulenart überhaupt brüte seit Ende der Siebzigerjahre im Isarhangwald südlich des Baierbrunner Klettergartens, das dortige Flora-Fauna-Habitat-Gebiet ist als Schutzraum aber nicht ausreichend. "Warum ist die Wiese so wichtig? Weil sie ein Puffergebiet für ein hochkarätiges Schutzgebiet ist", sagte Siering.

Eine Bebauung mit Häusern und Zäunen auf freier Fläche würde den Uhu - und andere Vogelarten wie Grauspecht, Hohltaube oder Waldschnepfe - in ihrem Lebensraum einschränken und gefährden: "Alles steht in Beziehung." Zumal die Naturperle Isartal, von Siering auch als "Schatzkammer der Artenvielfalt" bezeichnet, ja durch die Nähe zur Stadt München ohnehin einem großen Freizeitdruck ausgesetzt sei, allein die Zahl der Mountain Biker habe sich in den Pandemie-Jahren verdreifacht. Wenn nun auch noch Pufferzonen am Hochufer "angeknabbert" würden, hätte dies Auswirkungen auf Flora und Fauna, neben besagten Vogelarten etwa auf Fledermäuse, Käfer oder seltene Doldenblütler.

Erich Rühmer, Altbürgermeister von Schäftlarn und viele Jahre lang Vorsitzender des Isartalvereins, rief in Erinnerung, dass man seit 2013 um die Aufwertung der Isarauen und Hangwälder südlich von München zum Naturschutzgebiet kämpfe - ohne Erfolg. Er gab zu bedenken, dass ein Landschaftsschutzgebiet, wie im Moment die Baierbrunner "Schulwiese", sehr unterschiedlich von den zuständigen Behörden behandelt werde. In seiner Heimatgemeinde, in Ebenhausen, werde etwa jetzt wohl ein Supermarkt, der im Landschaftsschutzgebiet liege, erweitert. Das Landratsamt München respektive die Untere Naturschutzbehörde wird ja bei der Planung des "Schulwiesen"-Areals, etwa 20 Prozent sollen bebaut werden, ein wichtiges Wort mitreden. Das bekräftigte auch Jirschik, der durch den Abend führte und gemeinsam mit seinen beiden Gästen eingereichte Fragen beantwortete: "Es sind noch einige Hindernisse zu nehmen."

Dazu gehört, dass auch der Zeithorizont für das Bebauungsplanverfahren - Ende 2024 - relativ eng ist. Jan Kirsten Biener betonte, der "politische Prozess" sei noch nicht abgeschlossen und wehrte sich gegen das Narrativ "Wir machen das für die Kinder", das Bürgermeister Patrick Ott (ÜWG) und manche Gemeinderäte aus seiner Sicht pflegten. Biener, der in einer Münchner Medienagentur arbeitet, vermutet, dass die Umwidmung eines Landschaftsschutzgebietes in Bauland ungut mit dem Erwerb der Wiese unter dem "Deckmantel des Schulumbaus" verquickt werde. Ott, der aus terminlichen Gründe bei der Veranstaltung nicht anwesend war, wird sich wohl bei einem in einigen Monaten geplanten Diskussionsabend zu all dem äußern.

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