Süddeutsche Zeitung

Aschheim:Mit Maske gegen die Maskenpflicht

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Bei der Bürgerversammlung wird kontrovers diskutiert, ob Grundschulkinder wirklich im Unterricht eine Mund-Nase-Bedeckung tragen müssen. Mehrere Mütter fordern, die Regelung aufzuheben.

Von Christina Hertel, Aschheim

"Wer vor einem Jahr mit einer Maske in eine Bank gelaufen wäre, wäre verhaftet worden. Wer sie heute nicht trägt, muss eine Strafe zahlen", sagte der stellvertretende Landrat Otto Bußjäger (Freie Wähler) am Freitag in der Bürgerversammlung in Aschheim, die sich so vor einem Jahr wohl niemand hätte vorstellen können: Die Bürger saßen mit Masken auf Bierbänken weit voneinander entfernt in der Halle der Eisstockschützen. Ein Rathausmitarbeiter besprühte das Mikrofon nach jeder Wortmeldung mit Desinfektionsmittel. Und die Themen drehten sich statt um Verkehr und Lärm um Ansteckungsgefahr und Maskenpflicht.

Mehrere Mütter waren gekommen, weil sie mit der Regelung, dass ihre Kinder in der Grundschule während des Unterrichts eine Maske tragen müssen, unzufrieden sind. "Die Kinder sehen sich gegenseitig inzwischen als Gefahr", sagte die Mutter einer neunjährigen Tochter. Dabei gebe es unter Grundschulkindern in Aschheim, Feldkirchen und Kirchheim keine Corona-Fälle. Außerdem würden Experten davon ausgehen, dass von Kindern keine Gefahr ausgehe.

Die Stadt München und der Landkreis Ebersberg hatten mit dieser Begründung die Maskenpflicht für Grundschüler aufgehoben. Der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler sagte in der vergangenen Woche, dass Schulen wohl keine Treiber der Pandemie seien. Das RKI stellt zugleich aber fest, dass "das Ausmaß einer Übertragung innerhalb der Schulen und von den Schulen in die Familien/Haushalte" noch immer "weitgehend unklar und Gegenstand der Forschung" sei.

Es empfiehlt daher eine Maskenpflicht auch an Grundschulen, wenn der Sieben-Tage-Inzidenzwert oberhalb von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner liegt. Bayern setzt diese Regelung bislang als einziges Bundesland auch an der Grundschule um - jedoch können Städte und Landkreise Ausnahmen machen. Der Landkreis München habe das nicht vor, sagte Bußjäger. Denn in den wenigsten Grundschulen im Landkreis München könne der Abstand von 1,50 Metern eingehalten werden. "Ich habe selbst vier Kinder, deshalb kann ich Sie verstehen." Jedoch sei vieles in der Pandemie-Bekämpfung noch unklar und deshalb Vorsicht geboten.

Eine andere Mutter mahnte, die Verhältnismäßigkeit nicht zu verlieren: "In Aschheim gibt es sieben Infizierte. Kein Grundschüler ist darunter." Die Idee der Mütter, dass die Gemeinde Turnhallen und andere Räumlichkeiten für die Schulen öffnen könnte, um so mehr Platz zu schaffen, lehnte Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) ab. Die Gemeinde könne es nicht leisten, dort Hygienekonzepte zu erarbeiten und dafür Sorge zu tragen, dass diese alle einhielten: "Wenn wir unsere Räume öffnen, liegt die Verantwortung liegt bei uns."

Auch die Sportfreunde dringen nicht durch

Eine ähnliche Antwort gab er einer Übungsleiterin der Sportfreunde Aschheim. Der Verein könne, so führte diese aus, sein Training nur in einem äußerst begrenzten Umfang anbieten: "Ich bitte, eine Lösung zu finden, damit die Mitglieder nicht in die Fitnessstudios abwandern." Früher habe der Verein die Hallen in den Grundschulen genutzt. Das sei jetzt nicht mehr erlaubt. Ändern werde er daran nichts, sagte Glashauser. "Für den Hausmeister wäre eine Öffnung der Schulsporthallen mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden."

An der Realität könnte die Idee von Gemeinderat Sepp Lausch (Freie Wähler) scheitern. Er regte an, dass sich der Landkreis dafür einsetzen solle, dass der Freistaat seine Förderung für Luftfilter ausweitet. 37 Millionen Euro stellt dieser für Schulen bereit, die ihre Klassenzimmer nicht lüften können.

Doch auch Schulen, bei denen es kein Problem ist, das Fenster zu öffnen, könnten laut Lausch die Filter brauchen: "Wenn im Winter ständig das Fenster geöffnet wird, sind die Kinder am Ende nicht wegen Corona krank, sondern weil sie sich erkälten." 37 Millionen Euro, entgegnete Bußjäger, klinge nach viel Geld, doch für alle Schulen reiche das nicht.

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SZ vom 26.10.2020
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