Süddeutsche Zeitung

Justiz:Der Aufstand der Münchner Richter

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Von Sebastian Krass, München

Zwischen Mitarbeitern des Landgerichts München I und dem bayerischen Justizministerium ist ein massiver Streit über die geplante Verlegung von Teilen des Gerichts ausgebrochen. In einer Mitarbeiterversammlung am Mittwochnachmittag äußerten Richter und andere Justizbedienstete scharfe Kritik an dem Vorhaben, wie die Süddeutsche Zeitung aus Justizkreisen erfuhr. Die Beamten planen, Unterschriften zu sammeln und ihren Unmut mit einem offenen Brief nach außen zu tragen - angesichts des an sich loyalen und verschwiegenen Naturells von Richtern wäre das ein höchst ungewöhnlicher Vorgang.

Entzündet hat sich die Wut vor einigen Tagen, als Gerüchte die Runde machten, die Zivilkammern des Landgerichts sollten aus dem Justizpalast am Stachus ausziehen, um in dem symbolträchtigen Gebäude in der Münchner Innenstadt Platz zu schaffen für das Ministerium und das Bayerische Oberste Landesgericht. Die Kammern sollten demnach auf das ehemalige Siemens-Areal in Ramersdorf umziehen. Konkret gehe es um die St.-Martin-Straße 76 und dort um Haus 11, heißt es inzwischen. Das Gebäude wurde wohl auch schon mit Gerichtsmitarbeitern besichtigt. Säle für die öffentlichen Verhandlungen soll es dort bisher nicht geben.

Das kurzfristig aufgekommene Thema wurde zur bestimmenden Frage der turnusmäßigen Versammlung. Der Amtschef des Ministeriums und ein Mitarbeiter sollen Umzugspläne und neue Räumlichkeiten präsentiert haben und damit breite Entrüstung ausgelöst haben. Dem Vernehmen nach gab es Dutzende Wortmeldungen.

Bei der Kritik geht es um die Frage, warum das Justizministerium und das nach der Abschaffung im Jahr 2006 nun wieder gegründete Oberste Landesgericht ihren laut Ministerium dringenden Platzbedarf ausgerechnet im Justizpalast decken wollen. Schließlich hätten sie deutlich weniger Publikumsverkehr als das Landgericht mit seinen mehr als 100 öffentlichen Verhandlungen pro Woche. Richter sehen in der Standortfrage auch ein grundsätzliches Thema: Die Präsenz des Gerichts im Zentrum der Landeshauptstadt sei auch wichtig für dessen Ansehen. In der Tat war der 1897 fertiggestellte Justizpalast von Anfang an als ein Symbol der Rechtssprechung einer unabhängigen Justiz geplant.

Bisher sind 28 der 41 Zivilkammern des Landgerichts München I im Justizpalast untergebracht, die übrigen sitzen am Lenbachplatz. Aus Teilnehmerkreisen ist zu hören, insgesamt sollten 16 Kammern umziehen, 13 aus dem Justizpalast und drei vom Lenbachplatz, von dem es bisher hieß, er sei nicht betroffen. Die Gerichtspräsidentin Andrea Schmidt soll laut Insidern ebenfalls verstimmt sein über die Umzugspläne. Äußern will sie sich nicht.

Das Justizministerium, das sich Anfang der Woche nur sehr knapp geäußert hatte, versucht nun, mit einem ausführlichen Statement die Aufregung zu besänftigen. Eine Sprecherin erklärt zum Verlauf der Versammlung, man habe die "bisherige Entwicklung und die bislang angestellten vorläufigen Überlegungen dargestellt". Danach hätten die Mitarbeiter des Gerichts "ausführlich Gelegenheit gehabt, ihre Sichtweise und ihre Argumente darzulegen".

Zudem weist sie darauf hin, es sei noch vieles offen: "Wir stehen ganz am Beginn des Entscheidungsprozesses. Selbstverständlich werden die vorgebrachten Argumente Einfluss auf die weiteren Planungen haben." Man habe mehrere mögliche Standorte besichtigt, könne sich zu Details aber derzeit nicht äußern, auch nicht dazu, wer umziehen müsse. Es sei auch noch kein Mietvertrag abgeschlossen worden, betont die Sprecherin. Auf jeden Fall sollen die Räume "möglichst zentral und gut erreichbar liegen". Zu möglichen Kosten könne man noch nichts sagen. Einen Umbau für die Bedürfnisse der Justiz müsse aber "üblicherweise" der Vermieter zahlen.

Das Thema hat inzwischen auch den Landtag erreicht. Der Grünen-Abgeordnete Martin Runge, der Mitglied des Rechtsausschusses ist, hat in dieser Woche einen Brief an Justizminister Winfried Bausback (CSU) geschickt. Darin fragt Runge unter anderem, wie künftig die Räume im Justizpalast genutzt werden sollen. "Da, wo in der Justiz viel Publikumsverkehr herrscht, ist der Standort Stadtmitte angesagt", sagt Runge. Überdies vermisse er Transparenz und Beteiligung beim Agieren des Justizministeriums.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2018
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