Süddeutsche Zeitung

Symbol für die Demokratie:Berliner Mauer fällt zurück ins Dunkel

Lesezeit: 2 min

Abbau statt Umbau: Eine Lichtskulptur macht aus dem historisch bedeutsamen Betonfragment im Englischen Garten ein Kunstwerk. Warum diese Erweiterung jetzt entfernt werden soll, und warum der Künstler empört ist.

Von Sophie Menner

Seit 1996 steht ein Fragment der Mauer, die einst Ost- und Westdeutschland trennte, vor dem US-Generalkonsulat an der Münchner Königinstraße im Englischen Garten. Vermittelt hat das einst der CSU-Politiker und ehemalige Vizepräsident des Bundestags, Johannes Singhammer. Seit dem 3. Oktober 2020, dem 30. Jahrestag der Deutschen Einheit, ergänzt eine durchlässige Mauer aus Licht dieses Fragment. Berkan Karpat und Rainer Ludwig, Präsidenten des Künstlerverbunds im Haus der Kunst, haben die Skulptur entworfen. Die Stahl-Licht-Skulptur steht für die Demokratie an sich und symbolisiert die Möglichkeit, Mauern zu überwinden. Das Kunstwerk sollte zunächst nur temporär bis zum Ende des Jahres 2020 zu sehen sein und sowohl an die Wiedervereinigung erinnern, als auch für die "Lange Nacht der Demokratie" im Oktober 2021 werben.

Die Resonanz sei von Anfang an sehr positiv gewesen, sagt der Künstler Berkan Karpat. "Die Bevölkerung, das US-Konsulat, die Stadt: Alle waren begeistert." Das US-Konsualt übernahm 2020 einen großen Teil der Finanzierung. Bayerns Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) regte an, die Installation dauerhaft zu belassen. Aktuell wollen Studierende der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) das Denkmal sogar weiter entwickeln. Dafür haben sie alle Künstler besucht und Tonaufnahmen angefertigt. Diese wollen sie den Besuchern des Denkmals an Ort und Stelle per Handy zugänglich machen.

Die Parkverwaltung fürchtet um die Statik

Nun soll die Konstruktion aber doch abgebaut werden. "Es ist ein symbolischer Rückschritt. Wir haben in letzter Zeit viel über die Freiheit gesprochen und jetzt demontieren wir das Freiheitstor", sagt Karpat. Die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen begründet dies mit einer potenziellen Gefahr, die vom Kunstwerk ausgehe. Die Skulptur sei nur für einen eng begrenzten Zeitraum vorgesehen und entsprechend konzipiert worden. Eine Prüfung, ob sich das Kunstwerk auch für eine dauerhafte Installation eigne, habe ergeben, dass die Konstruktion in ihrer derzeitigen Form und Ausführung im Hinblick auf Statik, Verkabelung und Verkehrssicherheit für einen dauerhaften Verbleib an Ort und Stelle nicht geeignet sei. "Daher hat man sich darauf verständigt, dass das Kunstwerk zurückgebaut werden soll", teilt eine Sprecherin mit.

Staatsminister Florian Herrmann bedauert diesen Ausgang nach eigener Aussage sehr, sieht aber ebenfalls keine andere Lösung als die Demontage: "Das TÜV-Gutachten der Schlösser- und Seenverwaltung kommt hier zu einem eindeutigen Ergebnis. Es scheint leider keine Möglichkeit zu geben, die Installation mit verhältnismäßigem Aufwand technisch zu ertüchtigen."

Karpat hält die Begründung allerdings für unzureichend:"Das Kunstwerk ist von Statikern geprüft. Es war geplant, der Konstruktion zusätzliche Betonfüße zu geben, um sie noch stabiler zu machen." Das Problem sieht er an anderer Stelle: "Das scheint mir ein interner Konflikt zwischen der Schlösserverwaltung und der Staatskanzlei zu sein", sagt Karpat. "Ich habe mit meiner Kunst schon zwei Präzedenzfälle geschaffen. Das wäre jetzt der dritte. Da fühlt sich die Schlösserverwaltung auf die Füße getreten." 2001 hatte er Plexiglasstelen im See im Englischen Garten installiert, 2014 ein Lichtspiel am Nymphenburger Kanal. Um seine Empörung kundzutun, denkt Berkan Karpat nun über eine Petition nach, um für den Erhalt des Kunstwerkes zu kämpfen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5558160
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.