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Kultur:Wechsel im Haus der Kunst: Direktor Okwui Enwezor hört auf

Lesezeit: 3 min

Von Susanne Hermanski

Okwui Enwezor, der Direktor des Hauses der Kunst in München, legt aus gesundheitlichen Gründen sein Amt nieder. "Es gibt nie den idealen Zeitpunkt für einen Abschied, aber ich trete zu einem Zeitpunkt zurück, an dem das Haus der Kunst eine künstlerische Position der Stärke erreicht hat", teilte Enwezor am Montag offiziell mit. "Es war für mich ein besonderes Privileg, diese außergewöhnliche Institution zu leiten und mit solch einem engagierten und talentierten Team zusammenzuarbeiten." Er war seit Oktober 2011 Direktor des Hauses, das über keine eigene Sammlung verfügt, aber mit einem umso diffizileren Erbe zu arbeiten hat; Adolf Hitler hatte es als Tempel der "deutschen Kunst" nach seinen Vorstellungen als einen der ersten Monumentalbauten des nationalsozialistischen Regimes errichten lassen.

Okwui Enwezor hatte Chris Dercon als Direktor abgelöst und seither den internationalen Ruf der Hauses als erstklassigen Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst weiter aufgebaut. Er war bereits Direktor in München, als er die künstlerische Leitung der 56. Biennale von Venedig übernahm. Seine ausgezeichneten Kontakte in die globale Kunstwelt hat der ehemalige Documenta-Kurator auf vielfältige Weise in München eingebracht.

Als Kurator zeigte er in München Kunst, die jenseits der westlich geprägten Szene zu verorten war

Zu den bedeutendsten Projekten des 54-Jährigen gehörten etwa die Matthew-Barney-Schau "River of Fundament" und die Ausstellung "Postwar", die der Auftakt einer Trilogie sein sollte und der er in den nächsten Jahren noch die Teile "Postcommunism" und "Postcapitalism" folgen lassen wollte. Für "Postwar" holte er Kunstwerke aus aller Welt nach München, auch aus jenen Ländern, die üblicherweise nicht auf dem Radar der westlich-eurozentristischen Kunstgeschichte liegen. Darauf legt Enwezor in seiner Abschiedserklärung auch besonderen Wert: "Ich habe die Leitung dieser Institution mit dem Auftrag, das künstlerische, kulturelle und intellektuelle Profil des Hauses der Kunst zu schärfen und zu fördern, übernommen, eine Aufgabe, die ich durch einen programmatisch globalen Anspruch an die zeitgenössische Kunst erreichte."

Ebenso wichtig erscheint es ihm, in dem Schreiben seine finanziellen Verdienste für das Haus zu betonen: "Darüber hinaus zeichnete ich für die Einwerbung von Fördermitteln in Höhe von mehr als 35 Millionen Euro verantwortlich", fährt er fort, "und rekrutierte eine Reihe von langjährigen Partnern für das Ausstellungshaus." Als wirtschaftlich prosperierend ist das Haus der Kunst trotzdem keinesfalls zu bezeichnen.

In den vergangenen anderthalb Jahren war es von einer Reihe von Krisen erschüttert worden. Zuerst wurde bekannt, dass der langjährige Personalverwalter des Hauses der Kunst, Arnulf von Dall' Armi, mutmaßliches Scientology-Mitglied ist und deshalb der Verfassungsschutz im Haus ermittelt. In der Folge trennte man sich nach langem Zögern von einigen Mitarbeitern. Dann wurden immer mehr Details über die finanzielle Schieflage des Hauses offenbar. Viele hängen just mit jenen aufwendigen Ausstellungen zusammen, die Enwezors internationalen Erfolg begründeten. Gewaltige Transportkosten für die Kunst, überteuert produzierte Kataloge, geplatzte Kooperationen mit anderen Museen spielten da zusammen.

Schließlich erklärten auch noch einige ehemalige Mitarbeiterinnen öffentlich, sie seien von dem mittlerweile geschassten Personalverwalter sexuell bedrängt und schließlich nicht mehr weiterbeschäftigt worden, die Geschäftsführung habe ihre Beschwerden aber stets als nicht fundiert abgetan.

Zum Jahreswechsel entließ das Haus der Kunst schließlich seinen Kaufmännischen Leiter Marco von Matuschka, der gemeinsam mit dem Chefkurator Ulrich Wilmes und Enwezor das Managementteam des Museums gebildet hatte. Im Herbst davor war Okwui Enwezor bereits auf Drängen des bayerischen Landtags ein gleichberechtigter Kaufmännischer Direktor an die Seite gestellt worden. Die Wahl fiel als Interimslösung auf Stefan Gros, einen Mann, der als Sanierer bekannt ist, der bis dato aber beruflich noch nie etwas mit Kunst oder Museen zu tun hatte.

Damals hieß es in der Begründung des mittlerweile ausgeschiedenen Kultusministers Ludwig Spaenle noch, das Einrichten dieser Position sei wichtig, um das Haus "für die Zukunft zu stärken", weil es dringend saniert werden muss. Der Architekt David Chipperfield hat bereits Ende 2016 erste Entwürfe für das "Renovate/Innovate" genannte Projekt vorgelegt. Es sieht unter anderem eine Universalbühne im bisher kaum genützten Westtrakt des Gebäudes vor und soll 150 Millionen Euro kosten. Und nicht nur die Höhe dieser Summe stößt in München auf allerlei Kritik.

Seit Anfang März steht an Enwezors Seite nun der Ex-Chef der Bundeskunsthalle in Bonn, Bernhard Spies, als Kaufmännischer Direktor. Spies ist ein erfahrener Krisenmanager, der in München wohl jede Menge weiterer Probleme entdecken musste. Eines davon ist Okwui Enwezors Erkrankung, die er nun selbst öffentlich gemacht hat. Lange wurde darüber spekuliert, denn seit vergangenem August war der Direktor kaum noch im Haus zu sehen. Er kommunizierte vom Krankenbett aus jedoch mit einigen engen Mitarbeitern.

Sein Vertrag als Leiter des Hauses der Kunst war im Oktober 2016 um weitere fünf Jahre verlängert worden. Nun teilte das Ministerium für Wissenschaft und Kunst mit, die Gesellschafter des Hauses der Kunst und Enwezor hätten sich vor dem Hintergrund seiner Krankheit "einvernehmlich auf einen Auflösungsvertrag verständigt". Seine Tätigkeit habe bereits zum 1. Juni 2018 geendet. Man danke ihm für seine herausragenden Verdienste um die künstlerische Entwicklung des Hauses der Kunst. "Durch seine kuratorische Expertise hat die Institution weltweit Anerkennung erfahren", sagte Bayerns Kunstministerin Marion Kiechle, die als Vorsitzende des Aufsichtsrats von Spaenle nun auch diese Verantwortung übernommen hat. Wer wiederum von Okwui Enwezor den Rundumsanierungsfall Haus der Kunst übernehmen wird, steht in den Sternen.

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SZ vom 05.06.2018
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