Süddeutsche Zeitung

Kommunalpolitik:Parteimitglieder zum Schämen

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Mit der Flüchtlingskrise erlebt die Kommunalpolitik ein Comeback. Politiker stehen so unter strenger Beobachtung - was bei manchen CSU-Funktionären dringend notwendig ist.

Kommentar von Nina Bovensiepen

Kommunalpolitik erlebt derzeit ein Comeback. Beschert wird es ihr vom beherrschenden Thema dieser Monate, von der Flüchtlingspolitik. In einem Maße, wie es vor Jahresfrist nicht vorstellbar war, sind Land-, Stadt- oder Gemeinderäte und Bürgermeister in der öffentlichen Wahrnehmung präsent. Wenn Innenminister Thomas de Maizière bei einem Besuch der Erdinger Flüchtlingsunterkunft mit Landrat Martin Bayerstorfer zusammenstößt, interessiert das weit über die Landkreisgrenzen hinaus.

Wenn Bürgermeister wie Josef Lamperstorfer (aus Wegscheid) oder Josef Flatscher (aus Freilassing) mit den hohen Flüchtlingszahlen auf Belastungsproben gestellt werden, dringt dieses Signal aus Bayern in die Bild-Zeitung und nach Berlin. Und besonders augenfällig war es natürlich bei Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, dessen Bekanntheitsgrad durch sein Verhalten und seine klare Haltung beim Thema Flüchtlinge exorbitant gesteigert wurde.

Politik wird konkreter und wahrnehmbarer in diesen Zeiten. Das ist positiv. Sie wird damit aber auch strenger beobachtet - und das ist ebenfalls positiv, wie sich jetzt besonders plastisch am Fall von zwei CSU-Politikern in Zorneding im Landkreis Ebersberg zeigt.

Sylvia Boher und ihr Stellvertreter Johann Haindl haben dort in einer derart unerträglichen Weise gegen Flüchtlinge und Ausländer gehetzt, dass sich eine Partei, welche die Worte christlich und sozial im Namen trägt, in Grund und Boden schämen sollte für diese Mitglieder. Boher verglich Flüchtlinge in einem von Rechtspopulismus nur so strotzenden Artikel mit "Invasoren", Haindl nannte einen Pfarrer aus dem Kongo einen "Neger".

Bohers Ausfall war nicht der erste dieser Art. Doch dieser hatte jetzt Konsequenzen: In der Nacht zum Dienstag trat sie von ihrem Amt als CSU-Ortsvorsitzende zurück. Die Einsicht, dass dies überfällig war, hat Boher selbst zwar immer noch nicht gezeigt. Doch der Druck auf die Kommunalpolitikerin wurde zu groß, sie konnte sich nicht mehr halten. Ein gutes Zeichen in diesen Zeiten.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version war von Max Binder als dem Bürgermeister von Wegscheid die Rede, tatsächlich hat das Amt inzwischen Josef Lamperstorfer inne.

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Quelle:
SZ vom 04.11.2015
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