Süddeutsche Zeitung

Open-Air-Konzert München:So lief Klassik am Odeonsplatz

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Unter freiem Himmel: Christian Thielemann dirigiert und Tausende Münchner lauschen.

Von Susanne Hermanski

Das Herrlichste an einem Abend wie diesem ist der kleine Klatsch vor dem großen Beifall, das Spiel vor dem Spiel. Denn bei den beiden Open-Air-Abenden von Klassik am Odeonsplatz geht es eben nicht nur um zwei prominent besetzte Konzerte. Jeder weiß: Die Akustik unter freiem Himmel, zwischen Feldherrnhalle, Theatinerkirche und Residenz ist nicht so gut, wie in einem perfekten Konzertsaal, sonst bräuchte München ja keinen neuen, keinen zweiten, dritten, vierten. Bei Klassik am Odeonsplatz geht es auch, wenn nicht noch mehr, um das gesellschaftliche Ereignis.

Mindestens so spannend wie Gelingen oder Straucheln der Musiker, sind die Gespräche, die lustvoll ausgetauschten Gerüchte, die kleinen Frivolitäten in diesen idealen Sommernächten. Und die beginnen lange bevor Christian Thielemann den Auftakt schlägt, etwa beim Empfang auf dem Wittelsbacher Platz.

Dort versammeln sich auch in diesem Jahr wieder viele, die ein München spiegeln, wie es früher einmal war, als Helmut Dietl noch süßesten Nektar sog aus solchen Momenten für sein Kir Royal. Leute, Damen und Herren bringen Energie mit und Diridari, aber auch die Kraft, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Auf der Gästeliste stehen Uschi Glas, Schatz, Schätzchen und Schauspielerin, Marion Kiechle, die kurz mal ein Gastspiel als Bayerns Kunstministerin gegeben hat und jetzt wieder ganz Spitzenmedizinerin ist, die Gastronomen Peter Inselkammer, Christian Schottenhamel und Rudi Kull, die Schlagerstars Patrick Lindner und Günther Sigl, der Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber.

Es kommen der amtierende Kultusminister Michael Piazolo, sein Kollege, der Kulturminister Markus Blume muss kurzfristig absagen wegen einer Lebensmittelvergiftung. Dafür ist sein Amtsvorgänger Wolfgang Heubisch da. Ebenso der emeritierte TU-Präsident Wolfgang Herrmann, der gerade unter anderem eine neue Universität in Georgien aufbaut, wie er erzählt.

Die Münchner Opernfestspiele ließen ein bisschen Glanz vermissen, heißt es bei den Gesprächen auf dem Wittelsbacherplatz, mit so manch glitzerndem Gläschen Prickel in den Händen. "Macht aber nichts, freut man sich umso mehr auf Salzburg", lacht ein Herr im schwarzen Anzug - wie er den Abend bei dieser Hitze aushalten will, wissen allein die Theatergötter.

Dann ist München ganz das, was es so gern wäre

Über Thielemann - einst Musikdirektor auf dem Grünen Hügel und dann verstoßen - wird gemunkelt, er könne etwas mit dem zu tun haben, was manche Medien über das Kriseln in Bayreuth schreiben. "Aber meinst' wirklich der Maestro ist so rachsüchtig", sagt eine Dame zur anderen. Einerlei! Als endlich alle die paar Meter auf den Platz vor der Feldherrnhalle hinübergewandert sind und ihre Plätze gefunden haben, zählt nur noch eins: Was die Musik zu sagen hat.

Verdi steht auf dem Programm des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, nicht Wagner. Besser geht es nicht an einem Abend wie diesem. Dann ist München endlich ganz das, was es so gern wäre: die nördlichste Stadt Italiens, flirrend vor Glück, vis-à-vis einer Feldherrnhalle, die ganz mit ihrem Florentiner Vorbild verschwimmt. Und die Münchner, die VIPs und alle anderen, heben gemeinsam ab. Thielemann und das Orchester lassen sie fliegen, das ist ganz große Oper (auch wenn genaugenommen Ballett- und Sakralmusik von Verdi aufgeführt werden).

Aller Klatsch ist vergessen. Er ist gewichen - der Bereitschaft zum stürmischsten Klatschen. Und der Vorfreude auf den Tag danach. Da kommt, gemeinsam mit den Münchner Philharmonikern, Lang Lang, der Pianist "mit den Zauberhänden", sagt die Frau in Nachtblau. Und Tausende lauschen.

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