Süddeutsche Zeitung

Corona-Politik:"Jetzt reicht es, wir hauen ab"

Lesezeit: 3 min

Tom Bohn ist sauer auf die bayerische Politik . Deswegen findet sein Snowdance Independent Film Festival zum letzten Mal in Landsberg am Lech statt. Er will in einem anderen Bundesland weitermachen.

Von Josef Grübl, Landsberg am Lech

Für alle, die den Festivaltitel wörtlich nehmen: Bald hat es sich ausgeschneit und ausgetanzt, zumindest in Landsberg. Das Snowdance Independent Film Festival verlässt die oberbayerische Kreisstadt nach acht Jahren; die aktuelle Ausgabe wird die letzte sein. Man wolle aber in einem anderen Bundesland weitermachen, sagt Festivalleiter Tom Bohn am Telefon. Wo das sein wird, möchte er noch nicht verraten: "Das geben wir auf unserer Preisverleihung am 5. Februar in Landsberg bekannt", so Bohn. Der 62-Jährige ist hauptberuflich Regisseur, bis vor kurzem saß er für die FDP im Landsberger Stadtrat, über die Gründe des Umzugs gibt er bereitwillig Auskunft. Ihm sei die bayerische Corona-Politik zu restriktiv und sprunghaft, woanders werde eine "viel stringentere Politik" gemacht. Dabei gehe es gar nicht so sehr darum, wie streng oder locker die Regeln in den Bundesländern seien: Er habe nur das Gefühl, dass es in Bayern "immer eine Extrawurst" gebe.

Ausschlaggebend für ihn war die Absage der bayerischen Weihnachtsmärkte vor zwei Monaten, die so kurzfristig erfolgte, dass nicht nur die Fieranten in große Nöte gerieten. "Da habe ich gesagt, jetzt reicht es, wir hauen ab", so Bohn. Der Festivalchef ist ein kämpferischer Zeitgenosse, er schreibt Artikel, bloggt und ist aktiv bei Twitter. Letztes Jahr war er einer der Mitorganisatoren der Schauspieler-Aktion "Allesdichtmachen", die die staatlichen Corona-Maßnahmen kritisierte. Dafür gab es viel Kritik, Tom Bohn machte aber weiter. Heute twittert er über Populisten, Panikmacher im Parlament und die jüngsten Entscheidungen der Landesregierung: "Bayern hebt ab Donnerstag Kapazitätsgrenze von 25 Prozent auf 50 Prozent bei Veranstaltungen an", schrieb er gerade erst - und verwies auf den Beginn seines Festivals am Samstag.

Snowdance darf also mit Publikum stattfinden, die 14 Langfilme und 24 Kurzfilme werden im Landsberger Stadttheater aufgeführt. Gleichzeitig kann man die Filme streamen, auf das sogenannte Hybrid-Konzept setzen auch andere Kulturveranstalter. Im vergangenen Jahr fand das Festival dagegen nur online statt. Dabei würden doch gerade solche Veranstaltungen vom Austausch und der Begegnung leben, vom Dialog zwischen Filmemachern und Publikum, findet Bohn. Staatliche Förderung habe er keine bekommen, Snowdance finanziert sich über Sponsoren und Eintrittsgelder beziehungsweise Streaming-Gebühren. Für Independent-Festivals würde sich niemand interessieren, er habe an verschiedenen Stellen das Gespräch gesucht, da sei aber nicht viel passiert. "Letztes Jahr haben wir brutal draufgezahlt", gesteht er, "das waren mindestens vierzig- oder fünfzigtausend Euro Miese."

Bürokratie frisst Förderung auf

Damit greift er auch den Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF) an, der für die Förderung bayerischer Filmfestivals zuständig ist. Beim FFF nachgefragt, klingt die Sache etwas anders: Snowdance habe durchaus Förderanträge gestellt, man habe es auch in den Jahren 2019, 2020 und 2021 zur Förderung empfohlen. Damit konfrontiert, erwidert Bohn, dass das schon stimme, die geringe Fördersumme sei aber in keinem Verhältnis zu den Auflagen und dem Aufwand gestanden. Daher habe man darauf verzichtet. "Für das Jahr 2022 wurde kein Antrag gestellt; es wurde auch kein Gespräch mit dem FFF über die Planungen der diesjährigen oder künftiger Snowdance-Filmfestivals gesucht", stellt der FFF weiter fest. Man bedauere die Umzugsabsichten sehr, "da das Festival mit seiner inhaltlichen Ausrichtung einzigartig in Bayern ist".

Gemeinsam ist den dort gezeigten Filmen, dass sie unabhängig produziert wurden. Das gibt es aber auch anderswo, das ist kein Alleinstellungsmerkmal. Die Einzigartigkeit zeigt sich eher an der Atmosphäre, den kurzen Wegen oder den Rahmenveranstaltungen. Im diesjährigen Programm gibt es zudem eine Produktion mit direktem Bezug zum Veranstaltungsort: "Hitlers Mein Kampf: Prelude to the Holocaust" hat seinen Ausgangspunkt in Landsberg; hier war Adolf Hitler in den Jahren 1923 und 1924 inhaftiert. Die US-Doku ist als Weltpremiere zu sehen, andere Filme liefen schon bei anderen Festivals: Die deutsche Klimaaktivisten-Doku "Barrikade - Bilder einer Waldbesetzung" war schon in Hof, der französische Eröffnungsfilm "Medusa" wurde auch zu anderen internationalen Independent-Festivals eingeladen. Ein japanischer Dokumentarfilm ("Magone") begleitet einen Glaskünstler durch Venedig, ein deutscher Horrorfilm ("In The Woods") führt einen Vater und seine Tochter in den Wald.

Tom Bohn ist zufrieden mit seinem letzten Landsberg-Jahrgang, er lobt die Professionalität der Filme. Es habe sich wahnsinnig viel getan, sagt er, für Independent-Filme würden gerade neue Marktstrukturen geschaffen. Sich selbst sieht er ebenfalls als unabhängiger Filmemacher, er dreht regelmäßig "Tatort"-Episoden, realisiert dazwischen aber auch eigene Projekte, wie zuletzt "Black Wedding" oder "Reality XL". Wenn es sich ergebe, werde er als Regisseur weiterhin in Bayern arbeiten. Auch als Privatmensch fühle er sich hier wohl. "Als Veranstalter mache ich hier aber nichts mehr."

Snowdance Independent Film Festival, Sa., 29. Jan., bis So., 6. Feb., Stadttheater Landsberg am Lech, www.snowdance.net

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