Süddeutsche Zeitung

Kino:Welt der Wunder

"Charlatan": Das Arena-Kino zeigt einen Spielfilm über einen tschechischen Naturkundler und Heiler, dem auch Nazi-Größen ihre Zipperlein anvertrauten.

Von Josef Grübl

Die einen schwören auf Entwurmungsmittel, andere auf Zinktabletten oder Globuli: Alternative Behandlungsmethoden stehen in pandemischen Zeiten hoch im Kurs, in verschwörungsgläubigen Kreisen höher als moderne Impfstoffe. Ganz neu ist diese Wissenschaftsfeindlichkeit nicht; schon immer gab es Menschen, die der klassischen Medizin misstrauten und woanders Heilsversprechen suchten. Um einen ungewöhnlichen Medizinmann geht es auch im jüngsten Spielfilm von Agnieszka Holland: Die aus Polen stammende und international arbeitende Regisseurin erzählt in "Charlatan" die auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte des Naturkundlers Jan Mikolášek.

Sein Talent, anhand von Urinproben Krankheiten zu erkennen und mit Heilkräutern zu behandeln, brachte ihm Ruhm und Reichtum ein. In der Tschechoslowakei pries man ihn vor dem Zweiten Weltkrieg als Wunderheiler, während der deutschen Besatzungszeit heilte er auch diverse Nazi-Größen. Als aber die Kommunisten an die Macht kamen, sperrte man ihn ein und beschimpfte ihn als Scharlatan. Der Film erzählt eine Geschichte über Wunder- und Naturgläubigkeit, sie umspannt mehrere Jahrzehnte. Josef Trojan verkörpert den jungen, sein Vater Ivan Trojan den älteren Mikolášek. Dieser teilt mit seinem Assistenten František (Juraj Loj) das Bett, streitet seine Homosexualität aber ab - was man auf gewisse Art auch als Scharlatanerie sehen kann. Der Film feierte bei der Berlinale 2020 Premiere, im Jahr darauf wurde er von Tschechien ins Oscarrennen für den Besten Internationalen Film geschickt.

Charlatan, CZE 2020, Regie: Agnieszka Holland, So., 6. Feb., 10:40 Uhr und Mo., 7. Feb., 16:20 Uhr, Arena Kino , Hans-Sachs-Str. 7

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