Süddeutsche Zeitung

Hotels und Gaststätten:Das Gastgewerbe ist wohl nicht so sauber, wie es tut

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Mindestlohn? Brauchen wir nicht, wir zahlen eh mehr - so tönt es stets aus Münchens Hotels und Gaststätten. Doch die Kontrollen sind nicht nur Schikane, sondern offenbar berechtigt.

Kommentar von Franz Kotteder

Der Mindestlohn sei für die Branche in München überhaupt kein Problem, hört man von Funktionären des Hotel- und Gaststättenverbands seit bald zwei Jahren immer wieder. Man suche sowieso händeringend nach Personal, und deshalb zahle man freiwillig mehr, als das Mindestlohngesetz vorsehe.

Kontrollen durch die Zollfahnder, die teilweise in großer Zahl und mit kugelsicheren Westen anrückten, seien deshalb reine Schikane. Das klingt plausibel, denn tatsächlich sind Köche und Bedienungen nach wie vor begehrt, die Jobs wegen der Arbeitszeiten zugleich oft nicht sehr attraktiv.

Anscheinend nicht nur wegen der Arbeitszeiten, wie sich nun herausstellt. Die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) hat Zahlen vorgelegt, nach denen im vergangenen Jahr drei Viertel aller Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Mindestlohngesetz ausgerechnet im Gastgewerbe eingeleitet wurden. 173 gastronomische Betriebe hätten die Zollfahnder überprüft, 31 davon hatten danach ein Ermittlungsverfahren am Hals, so die Gewerkschaft. Insgesamt habe es im Jahr 2016 in allen Branchen nur 42 solcher Verfahren gegeben.

Nun kann ein Ermittlungsverfahren natürlich auch negativ verlaufen und sich ein Anfangsverdacht nicht bestätigen. Trotzdem ist die Zahl erstaunlich hoch - immerhin hat der Zoll in anderen Branchen 677 Betriebe kontrolliert und nur elf Verfahren eingeleitet.

Auch wenn das Gastgewerbe extrem vielschichtig ist und von der Boazn mit einem Angestellten bis zum Fastfood-Konzern und Luxushotel reicht: Die Zahl der schwarzen Schafe ist wohl doch nicht so klein, und die Kontrollen sind doch nicht nur reine Schikane, sondern offenbar durchaus berechtigt. In diesem Punkt dürfen die Verbandsfunktionäre künftig ruhig ein bisschen kleinlauter auftreten, wenn man sie ernst nehmen soll.

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Quelle:
SZ vom 31.05.2017
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