Süddeutsche Zeitung

Hotels:Das erleben Concierges in München

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Private Feuerwerke, deutsche Schäferhunde und meisterliche Schachpartien: Drei Münchner Concierges erzählen von den absurden Wünschen mancher Kunden.

Von Pia Ratzesberger

Jochen Ehmann: Viele Gäste nehmen sich zu viel vor

Jochen Ehmann, 42, wird aufhören. Schon Ende des Monats wird er die Goldenen Schlüssel nicht mehr tragen, nicht mehr am Morgen ins Charles kommen, kein Chefconcierge mehr sein. Er gebe den Job nicht auf, weil er keine Lust mehr habe, sondern alleine aus privaten Gründen, sagt er, und deshalb wisse er auch nicht, ob er später nicht vielleicht doch einmal wieder als Concierge anfangen werde. Für den Moment aber ist es vorbei. Leicht fällt Jochen Ehmann das nicht.

Es begann mit einer Stellenanzeige. Viele Jahre schon hatte Ehmann damals in der Hotellerie gearbeitet, aber nie als Concierge - profunde Kenntnisse der Stadt seien erwartet, stand in der Anzeige, oder eine langjährige Erfahrung in eben diesem Job. Ehmann konnte nichts von beidem vorweisen, aber er bekam die Stelle trotzdem. Vermutlich habe er sich damals einfach verdammt gut verkauft, sagt er heute, während er in der Bar des Hotels sitzt, im Hintergrund leiser Jazz.

Mittlerweile ist er der Chefconcierge des Hauses, leitet also das Team, und eines seiner drei Telefone läutet immer - manche Stammgäste, die er schon lange kennt, bekommen auch seine Handynummer. Ein Gast wollte seiner Freundin einmal ein privates Feuerwerk auf der Terrasse schenken, allerdings sollte das Ganze schon in zwei Stunden stattfinden. Auch das hätte der Concierge hinbekommen, wenn da nicht das Kreisverwaltungsreferat gewesen wäre. Die Genehmigung war im Gegensatz zu den Sprengkörpern so schnell nicht zu erhalten, Ehmann fand dann eine Alternative: Einen Saal mit 300 Quadratmetern voller Kerzen und Luftballons, reserviert für zwei.

Der Fehler vieler Gäste sei, dass sie sich zu viel vornähmen, sagt Ehmann, dass keine Zeit mehr bliebe für den Genuss. Er streiche vielen erst einmal fünf Punkte aus ihrem Plan. Fragt man den Concierge, worauf er die vollen Urlaubskalender zurückführe, sagt er, die Erwartungen jedes Einzelnen würden immer größer, an den Job, an die Liebe, an den Urlaub - und damit auch an den Concierge.

Die Leute wollten aus ihrer "Zeit auf dem Planeten das Maximale rausholen", vergäßen dabei aber gelegentlich, dass man auch einmal innehalten müsse. Daran erinnert sie dann Jochen Ehmann, in der Lobby. Das Schönste an seinem Beruf sei, sagt er, dass er Menschen glücklich machen könne und es dafür nicht immer ein privates Feuerwerk oder einen Ferrari brauche. Manchmal reicht ein gutes Abendessen.

Wenn sie nur eine Sache nennen dürfte, die man sich dieser Tage in der Stadt ansehen sollte, dann würde Anne Holländer, 30, den Gast ins Werksviertel schicken, am Ostbahnhof. Dort könne man zum Beispiel eine Zimtschnecke in dem Café gleich links neben dem Eingang essen, die kämen aus einer Manufaktur in München, später könne man sich vielleicht noch eine Bowl bei Aloha Poke holen, ein paar Meter weiter, und dann gebe es da auch noch diesen einen Pop-up-Shop. Man muss nicht mehr hören, um zu verstehen, dass die Concierge die Orte ziemlich gut kennt, von denen sie ihren Gästen erzählt.

Sie arbeitet in der Lobby des Charles, einem der neueren Luxushotels in der Stadt, das aussieht, als könne es problemlos an der Upper Westside in New York stehen statt am Hauptbahnhof in München. Das Hotel hat weniger Zimmer als der Bayerische Hof, in der Lobby ist es ruhiger, die Wünsche der Gäste aber sind nicht weniger außergewöhnlich.

Bei Anne Holländer wollte ein Gast einmal einen deutschen Schäferhund bestellen, gern genommen werden auch schnelle Autos, vor allem die amerikanischen Gäste erhoffen sich viel von einer Fahrt über die deutschen Autobahnen ohne Tempolimit. An manchen Tagen fühle man sich wie ein Shopping Assistant, sagt Holländer, zum Beispiel, wenn ein Gast ein Handyfoto von einer Vase aus einer Boutique zeigt und sagt: davon bitte noch elf Stück. Es gibt aber auch die anderen Aufträge, die schlichten. Ein Mann zum Beispiel bat lediglich um Handtücher und den besten Ort für einen Einstieg in die Isar. Das kommt nicht oft vor, bei einem Pool im Haus.

Anne Holländer hat mehrere Jahre in einem schottischen Golfresort gearbeitet und fragte sich dort noch, was die Concierge eigentlich den ganzen Tag machen - bis der Concierge im nächsten Hotel fragte, ob sie sich den Job nicht vorstellen könne. Sie konnte. Holländer wälzte von da an viele Bücher über München, schrieb sich Jahreszahlen auf Karteikarten, noch heute bleibt sie an freien Tagen oftmals in der Stadt, um herauszufinden, welches neue Café sich lohnt, welches Restaurant. "Freizeitarbeit", nennt Holländer das. Ab und an werden sie und ihre Kollegen natürlich auch eingeladen, um Neues zu testen, in ihrem Team hat jeder sein Spezialgebiet. Der eine kennt sich besonders mit Geschichte aus, der andere mit den Orten für Gourmets. Holländer sagt von sich: Sie sei eher die fürs Unkonventionelle.

Vor fünf Jahren musste Jan Gartz oft noch erklären, was er denn nun mache, als Concierge im Hotel Vier Jahreszeiten, an der Maximilianstraße. Mittlerweile aber nickt sein Gegenüber meistens nur mit dem Kopf und sagt: "Ist ja spannend." Gartz kann dann zum Beispiel von dieser einen E-Mail erzählen, in der Stammgäste schrieben, dass ein Freund von ihnen - ein leidenschaftlicher Schafkopfspieler - gerne einmal gegen den bayerischen oder deutschen Meister spielen würde. Ob man da nicht was machen könne? Jan Gartz, 30, konnte was machen.

Er organisierte eine Partie mit dem bayerischen Meister, der zu seinem Glück gleichzeitig noch der deutsche war, die Dankbarkeit war groß. Neulich hinterließ ein Gast nach seiner Abreise einen Zettel für ihn und seinen Kollegen, auf diesem stand voller Pathos: "Ich werde nie vergessen, was Sie für mich getan haben, Sie sind für immer in meinem Herzen." Die Concierges hatten der älteren Dame kurzfristig einen Rückflug in die USA organisiert, nachdem ihr eigentlicher storniert worden war.

Wahrscheinlich könne man sonst nur in der Pflege Menschen so glücklich machen wie in seinem Beruf, sagt Gartz - auch wenn er manchmal natürlich auch Gesuche ablehnen muss. Zum Beispiel das eines arabischen Paares, die ihren eigenen Metzger mit dabei hatten und bei einem Bauern ein Lamm kaufen wollten. Aus diesem Vorhaben wurde nichts. Jan Gartz glaubt, die größere Bekanntheit seines Berufsstandes habe auch damit zu tun, dass der Begriff Concierge jetzt häufiger verwendet werde, wenn auch abseits der Hotellerie, von Autokonzernen zum Beispiel.

Er hatte gleich am Anfang seiner Ausbildung gelernt, was Concierges machen, er arbeitete ihnen damals als Page zu - und findet bis heute, dass kein noch so gutes Bewertungsportal die Frauen und Männer in der Lobby ersetzen könne. Denn im Internet, sagt er, werden die Meinungen ohne Filter gesammelt, wenn jemand ein Edelrestaurant erwarte und sich dann in eine gewöhnliche Pizzeria setze, fließt dessen schlechte Bewertung genauso ins Ergebnis ein wie die von jemandem, der gerne in unkomplizierter Atmosphäre zu Abendessen möchte und deshalb nicht zufrieden mit der noblen Brasserie ist. Mit ein paar Fragen, sagt Gartz, könne er viel besser herausfinden, an welchem Ort sich der Gast wohlfühlen wird. Ähnlich wie ein Filter in einer Suchmaschine, nur persönlicher.

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Quelle:
SZ vom 09.08.2018
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