Süddeutsche Zeitung

Hakenkreuz-Schmiererei:"Natürlich ist das eine rechte Tat"

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Von Martin Bernstein, München

Nachdem der geballte Unmut aus den sozialen Netzwerken über sie hereingebrochen ist, hat sich die Münchner Polizei am Montag um Klarstellung bemüht. "Natürlich ist das eine rechte Tat", sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums über die Hakenkreuzschmierereien am Auto einer türkischstämmigen Familie aus Neuperlach. Weswegen sich jetzt auch das Staatsschutzkommissariat 44 um den Fall kümmert. Anders als die meisten anderen Polizeipräsidien hat München ein eigenes Kommissariat für Ermittlungen bei politisch rechts motivierten Straftaten. "So etwas wird von uns nie auf die leichte Schulter genommen", sagte Polizeisprecher Carsten Neubert.

In der Nacht von Donnerstag, 21.30 Uhr, auf Freitag, 8 Uhr, hatten Unbekannte auf den am Gustav-Heinemann-Ring abgestellten silbernen Mercedes der Familie Gürpinar ein schwarzes Hakenkreuz gesprüht. Ob die Täter wussten, dass es sich um das Auto einer Familie mit türkischem Namen handelt, werde man wohl erst wissen, wenn man den Urheber gefasst habe, so die Polizei. Offen ist bisher deswegen auch, ob es sich um einen Einzeltäter - möglicherweise aus dem Wohnumfeld der Familie - oder um eine organisierte Tat gehandelt habe.

"Wir haben mit niemandem Streit gehabt"

"Ich kann mir das nicht erklären", sagt Gülseren Gürpinar. "Wir haben mit niemandem Streit gehabt." Stutzig macht es sie jedoch schon, dass aus einer ganzen Reihe geparkter Autos ausgerechnet ihres herausgesucht worden sei. "Es gibt nichts, was darauf hindeutet, dass das Auto einer türkischen Familie gehört." Der Staatsschutz, der mögliche Zeugen um Hinweise bittet (Telefon 089/29100), ermittelt wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Im Internet schlägt die Tat hohe Wellen. Kritisiert wird vor allem die ursprüngliche Auskunft der Polizei, es gebe keine konkreten Hinweise auf einen politisch rechts motivierten Hintergrund. Der betroffenen Familie riet die Polizei, das Hakenkreuz schnell entfernen zu lassen: Sonst verstoße auch sie gegen das Verbot der Verwendung eines verfassungsfeindlichen Symbols.

Die Münchner Landtagsabgeordnete Katharina Schulze (Grüne) hat den Vorfall am Montag zum Gegenstand einer Anfrage an die Staatsregierung gemacht. Schulze will darüber hinaus wissen, wie sich die Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten in München (und insbesondere von vergleichbaren Schmierereien im Stadtteil München-Perlach) im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr entwickelt hat.

"Dafür muss man keine Szene haben. Da reicht ein Idiot"

"Auf dem rechten Auge blind" - dieser Vorwurf gegen Polizei und Justiz ist immer wieder zu hören. Tatsächlich gibt es kaum einen Vorfall aus den vergangenen Wochen und Monaten, zu dem seitens der Polizei nicht der Standardsatz zu hören ist, man ermittle "in alle Richtungen". Einige Beispiele: Brennende Kleiderbündel rund um die Unterkunft für minderjährige Flüchtlinge in Harlaching? Ermittelt wird offiziell nur wegen Sachbeschädigung. Doch der Staatsschutz ist eingeschaltet. Hakenkreuze am Haus der Kunst? Es gebe eine Spur, sagt ein Ermittler aus dem Staatsschutzkommissariat 44. Ob diese Spur aber nach rechts führe, sei ungewiss. Brandanschlag auf die Pasinger Moschee? Man ermittle weiterhin in alle Richtungen, sagt derselbe Staatsschützer. Denkbar sei auch eine "innertürkische" Auseinandersetzung.

Das Phänomen ist nicht auf das Polizeipräsidium München beschränkt. Als im Januar am S-Bahnhof Grafing ein KZ, Hitler-Parolen und ein Deportationszug an ein Wartehäuschen gemalt wurden, vermutete ein Staatsschutzbeamter der Kripo Erding "15-, 16-, 18-Jährige, die versuchen, etwas, das sie gehört haben, zu verarbeiten", als Urheber der Zeichnungen: "Dafür muss man keine Szene haben. Da reicht ein Idiot." Und ein Staatsschützer derselben Dienststelle sagte nach dem bewaffneten Überfall einer achtköpfigen Schlägertruppe auf einen Dönerimbiss am Ebersberger Bahnhof: "Es gibt überall welche, die zu stark rechts tendieren, genauso wie nach stark links."

Extremismus-Experten kennen derartige Aussagen zu Genüge. Robert Andreasch von der antifaschistischen Informationsstelle Aida sagte nach dem Ebersberger Überfall: "Ich glaube, dass die Polizei falsch sucht." Rechtsextreme seien nicht immer eine klar benennbare, hierarchisch organisierte Gruppe. Gülseren Gürpinar allerdings stimmt in die Kritik an der Polizei nicht ein: "Die haben das sehr ernst genommen", sagt sie.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2015
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