Süddeutsche Zeitung

Grünen-Vorschlag für MVV:Ein Tag, ein Euro, alle Linien

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Von Marco Völklein

Die Idee, sagt Stadträtin Sabine Nallinger, hätten sich die Grünen aus Wien abgeschaut: Dort zahlen Fahrgäste für die Benutzung von Bus und Bahn im Stadtgebiet nur 365 Euro im Jahr - also einen Euro pro Tag. Ein griffiger, ein günstiger Preis. "Das wollen wir auch für München", sagt Nallinger. Sie hofft, mit dem Ticket mehr Bürger vom Auto weg- und auf den Nahverkehr herüberzulocken - auch wenn hier das Ticket erst von neun Uhr an gelten soll. "Nur so können wir es schaffen, dass München lebenswert bleibt und nicht im Chaos versinkt", sagt Nallinger.

Tatsächlich hat sich das Ein-Euro-pro-Tag-Ticket in Wien zum Renner entwickelt. 2014 stieg die Zahl der Jahresabo-Kunden bei den Wiener Linien auf 650 000 - ein neuer Rekord. Vor vier Jahren hatten nur 355 000 Wiener eine Jahreskarte, die damals noch fast 450 Euro kostete. Zudem schlägt sich der attraktive Preis verkehrspolitisch nieder: Mittlerweile legen die Wiener nach Angaben der Verkehrsbetriebe 39 Prozent ihrer Wege mit "Öffis" zurück, wie Busse und Bahnen dort genannt werden. In München liegt der Wert laut Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) bei 30 Prozent. Im Gegenzug ist der Anteil des Autoverkehrs in Wien seit 1993 von 40 auf mittlerweile 27 Prozent gesunken (München aktuell: 31 Prozent).

Mehr Geld für den Nahverkehr

Die Grünen würden nun das Wiener Modell gerne auf München übertragen. "Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik", fordert Nallinger. Und um den hinzukriegen, müsse die Stadtspitze bereit sein, mehr Geld in den Nahverkehr zu stecken. So fordern die Grünen, die jährlichen Einnahmen aus den städtischen Parklizenzzonen komplett in den Nahverkehr zu stecken - das wären laut Grünen-Stadtrat Helmut Danner 17 bis 20 Millionen Euro pro Jahr. Zudem hofft sein Stadtratskollege Paul Bickelbacher darauf, dass sich durch das neue Angebot viele zusätzliche Fahrgäste gewinnen lassen - unterm Strich käme damit mehr Geld in die Kasse.

Aus Sicht der MVG ist das aber "eine völlig unrealistische Milchmädchenrechnung", wie ein Sprecher sagt. Bislang kostet ein Jahresabo der 9-Uhr-Isarcard (Innenraum) 528 Euro pro Jahr. Um eine Reduzierung des Preises auf 365 Euro zu kompensieren, müsste die Nachfrage um mehr als 50 Prozent gesteigert werden, sagt der MVG-Sprecher. "Das ist unrealistisch." Ein so großes Fahrgastpotenzial gebe es nicht. Das Ticket müsste "jährlich mit einem erheblichen Millionenbetrag bezuschusst werden", kritisiert SPD-Stadtrat Jens Röver. Hinzu komme, dass das System jetzt bereits "hart an der Kapazitätsgrenze" arbeite, ergänzt die MVG. Die vielen zusätzlichen Fahrgäste kämen gar nicht unter in den Bussen und Bahnen sowie den jetzt schon völlig überlasteten Bahnhöfen. SPD-Mann Röver spricht von einer "Nebelkerze", die die Grünen gezündet hätten.

Engerer Takt für die Züge

Die allerdings verweisen erneut auf Wien: Dort wurde und wird das Angebot stetig erweitert. Zahlreiche neue Strecken werden gebaut, viele U-Bahn- und Tramlinien werden "mit dichteren Intervallen befahren", wie Michael Unger von den Wiener Linien sagt. Ähnliches fordert Bickelbacher für München: So sollte die MVG unter anderem die U-Bahnen den ganzen Tag über (und nicht nur in der Hauptverkehrszeit) alle fünf Minuten rollen lassen sowie die 13 Metrobus-Linien am Abend bis 22 Uhr im Zehn-Minuten-Takt bedienen. Bisher endet der enge Takt oft um 20 Uhr, teils auch erst um 21 Uhr. Dafür müsste die Stadt der MVG laut den Grünen zehn bis 15 Millionen Euro pro Jahr zuschießen.

In Wien fließt sogar noch viel mehr Geld: Als 2012 das 365-Euro-Ticket eingeführt wurde, schob die Stadt den Wiener Linien einmalig 30 Millionen Euro rüber. Zudem stellt der Gemeinderat pro Jahr 250 Millionen Euro für Ausbau und Betrieb bereit. "Die Stadt investiert und fördert massiv", sagt Unger. Ähnlich viel Geld würden auch die Grünen gerne in München investieren: Nallinger sagt, nötig wären 150 bis 250 Millionen Euro pro Jahr. Es komme nun darauf an, "Prioritäten" zu setzen und zum Beispiel auf teure Straßentunnels zu verzichten, etwa an der Landshuter Allee oder der Tegernseer Landstraße.

Danner plädiert zudem dafür, die Parkgebühren kräftig anzuheben: In der Altstadt zahlen Autofahrer 2,50 Euro je Stunde, in anderen Stadtvierteln einen Euro. Seit Einführung der Parkautomaten vor 17 Jahren seien die Preise konstant geblieben, kritisiert Danner - ganz im Gegensatz zu den MVV-Tarifen. Daher sei es nur logisch, das Parken zu verteuern: auf zunächst 1,50 Euro je Stunde in den Quartieren außerhalb der Altstadt. Und danach, sagt Danner, sollte die Stadt "im Zwei-Jahres-Rhythmus regelmäßig nachziehen".

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SZ vom 13.02.2015
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