Süddeutsche Zeitung

Prozess:Hartes Urteil gegen junge Sprayer

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In München gibt es nach Schätzungen etwa 500 illegale Graffiti-Sprayer. Drei von ihnen sind nun vorbestraft - obwohl der angerichtete Schaden vergleichsweise gering war.

Von Martin Bernstein

Ist das Kunst oder kann das weg? Illegale Graffiti sind ein teures Ärgernis. Allein in München entsteht Hausbesitzern, aber auch Behörden und öffentlichen Einrichtungen jedes Jahr ein Schaden, den Experten der Polizei auf mehr als eine Million Euro beziffern. Auch wenn die Situation noch nicht mit Städten wie Leipzig vergleichbar ist, wo Fassadenreinigungsfirmen schon Flatrates anbieten: München ist - neben Berlin - eine von zwei Städten, in denen Bundes- und Landespolizei eine gemeinsame Koordinierungsgruppe Graffiti gebildet haben. Jetzt ist bei der Sprayer-Fahndung ein Ermittlungserfolg geglückt, der für drei Mitglieder der "WK"-Gruppe teuer wurde.

"WK" steht laut Florian Kopczyk für "wicked", also: böse, frech, geil. Der Kriminalhauptmeister ist einer von sieben Beamten des Polizeipräsidiums München, die zusammen mit zwei der für S-Bahnen und Bahnhöfe zuständigen Bundespolizisten auf Sprayer-Pirsch sind. Kopczyk und seine Kollegen kennen ihre Pappenheimer - auch etwa zehn der Sprayer, die sich unter dem "Tag" WK an Hauswänden verewigen. Wobei jeder das Gruppenkürzel ein wenig abwandelt, so viel individueller Stil muss sein. Warum die Polizei die schon vor eineinhalb Jahren in Giesing verübten Taten jetzt erst öffentlich gemacht hat? Die Sprayer, 25, 28 und 27 Jahre alt, zwei Studenten, ein Künstler, sind jüngst vom Amtsgericht rechtskräftig zu Geldstrafen in Höhe von 3600, 4550 und 4900 Euro verurteilt worden. Weil die Strafe in allen drei Fällen höher als 90 Tagessätze war, gelten alle drei jetzt als vorbestraft.

Immer wieder, so die Ermittler vom Fachkommissariat 23, werde kolportiert, Sprayer würden nicht erwischt. Oder die Verfahren würden eingestellt. "Der aktuelle Fall zeigt: Wer das glaubt, irrt sich", sagt Kopczyk. Dabei war der Schaden, den das Trio an 17 Häusern in der Hans-Mielich-Straße und an neun weiteren Wänden in der Umgebung anrichtete, mit rund 5000 Euro vergleichsweise gering.

Weil es in dem Straßenzug im Frühjahr 2017 viele ähnliche Graffiti gegeben hatte, legten sich Zivilbeamte mehrerer Dienststellen auf die Lauer. Einen der drei Sprayer schnappten sie noch am Hans-Mielich-Platz. Dann wurde Experte Kopczyk hinzugezogen - kurz darauf waren auch die beiden anderen Sprayer gefasst. Weil sie bei ihrem Streifzug Spühdosen, Handschuhe und Rucksäcke zurückgelassen hatten, war es nicht schwer, Fingerabdrücke und DNA-Spuren zu finden. Auch das Landeskriminalamt wurde eingeschaltet, zahlreiche Zeugen befragt, unter ihnen die betroffenen Hausbesitzer. Aus der Szene heißt es immer wieder: Es sei erstaunlich, welchen Eifer die Polizei bei der Jagd auf Graffiti-Sprayer an den Tag lege. Nach rechten Taten, so die Kritik, sei die Polizei nicht so fix. Sogar von nächtlichen Hubschraubereinsätzen wird berichtet.

Rund 200 tatverdächtige Sprayer ermittelt die Polizei nach eigenen Angaben im Jahr. In München gibt es nach Schätzungen etwa 500 illegale Graffiti-Sprayer. 1701 Fälle registrierte die Polizei vor zwei Jahren, 2017 waren es bereits 2152. Das Fachkommissariat kümmert sich nur um einen Teil der Graffiti, die in München zu sehen sind: "Wir sind für die Kunst zuständig", sagen die Ermittler. Manche Sprayer, das geben Polizeiexperten zu, seien durchaus talentiert - gleichwohl bleibe ihr Tun illegal. Wenn ganze Straßenzüge mit Tags gleichsam "markiert" würden, gehe es den Urhebern allein um Aufmerksamkeit. "Gruppenrivalität" drücke sich da aus, ebenso bei Graffiti aus der Fußball-Fanszene.

Politische Wandschriften sind dagegen ein Fall für den Staatsschutz. So wie die drei mehr als einen Meter großen Hakenkreuze, die Unbekannte in der Nacht zum Mittwoch unter eine Autobahnbrücke an der A99 gesprüht haben. Kriminalhauptkommissar Stefan Schneider von der Sprayer-Fahndung zeigt sich betroffen: "Das hat in den letzten Wochen um einiges zugenommen."

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Quelle:
SZ vom 09.11.2018
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