Süddeutsche Zeitung

Gourmet-Award-Gewinner:"Ich brannte für Zahlen genauso wie heute fürs Kochen"

Lesezeit: 2 min

Mun Kim kündigte nach der Finanzkrise an der Wall Street und lernte bei einem Sushimeister. In seinem Lokal in Haidhausen arbeitet der Gewinner des Gourmet Awards so viel wie als Banker - ist aber glücklicher.

Interview von Christina Hertel

Eines hat Mun Kim nicht so richtig gepasst: dass die Verleihung des Gourmet Awards ausgerechnet an einem Montagabend stattfinden musste, an seinem einzigen freien Tag in der Woche, an dem er eigentlich seinen Hund ausführen und mal früh ins Bett gehen müsste. Doch als er auf der Bühne steht und den Gourmet Award mit einem sehr breitem Lächeln im Gesicht entgegennimmt, hat man nicht das Gefühl, als würde der Schlafmangel noch eine große Rolle spielen.

Mun Kim ist 51 Jahre alt, wurde in Seoul geboren, wanderte mit seinen Eltern nach Honolulu aus, arbeitete als Wall-Street-Banker, schmiss nach der Finanzkrise hin und verwirklichte seinen Traum: Er ging zu einem Sushi-Meister in die Lehre und wurde Koch. Seit mittlerweile eineinhalb Jahren führt er in Haidhausen das Mun, ein asiatisches Restaurant mit amerikanischen Einflüssen.

SZ: Während Ihrer Ausbildung bei einem Sushi-Meister mussten Sie ein ganzes Jahr lang nur Reis kochen. Mal ehrlich: Was kann man dabei falsch machen?

Mun Kim: Reis kochen ist ziemlich heikel. Er darf nicht zu warm sein, nicht zu feucht. Jeder Reis ist anders, sogar jeder Reiskocher ist anders. Ich bin ein Mensch, der zwar kein Perfektionist sein möchte, aber gleichzeitig immer besser werden will. Guten Fisch kann jeder kaufen, beim Sushi macht der Reis den Unterschied. Und indem ich ihn immer und immer wieder gekocht habe, lernte ich außerdem, ein geduldigerer Koch zu werden.

Was ist das Geheimnis Ihres Reises?

Der Sushi-Essig. Er wird nach dem Kochen zum Reis gegeben. Meiner besteht aus sieben verschiedenen Zutaten und muss immer einen ganzen Monat fermentieren, bevor ich ihn verwende.

Bevor Sie Koch wurden, arbeiteten Sie als Banker an der Wall Street. Gibt es irgendetwas, was diese beiden Leben gemeinsam haben?

Ich habe immer in alles viel Leidenschaft gesteckt. Ich brannte für Zahlen genauso wie heute fürs Kochen. Und ich arbeite heute fast genauso viel wie damals. Zwölf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche, nur montags habe ich frei. Ich bin mir sicher: Ohne Leidenschaft würde man das gar nicht durchhalten.

Bereuen Sie, dass Sie zu viel Zeit Ihres Lebens an der Wall Street verschwendeten?

Überhaupt nicht. Ich habe damals viel gelernt - vor allem über Menschen. Doch das Leben ist zu kurz, um seine Träume ewig vor sich herzuschieben. Als Banker habe ich 80 bis 90 Stunden in der Woche gearbeitet. Wenn ich sonntags frei hatte, habe ich immer viele Freunde eingeladen und zu ihnen gesagt: Los, lasst uns feiern. Und dann habe ich für sie gekocht. Das war der beste Tag der Woche für mich.

Wie haben Sie Ihre Leidenschaft fürs Kochen entdeckt?

Meine Mutter hat mir einst das Kochen beigebracht. Ich verwende immer noch viele ihrer Rezepte. Wissen Sie noch, wie es sich angefühlt hat, wenn Sie als Kind krank waren und Ihre Mutter für Sie gekocht hat? Das war das beste Essen der Welt, oder? In meinem Restaurant möchte ich den Menschen dieses Gefühl wieder bringen. Sie sollen sich einfach wohlfühlen bei mir.

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Quelle:
SZ vom 14.03.2018
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