Süddeutsche Zeitung

Giesing:Uhrmacherhäusl kann nicht mehr original rekonstruiert werden

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Von Alfred Dürr, München

Ein halbes Jahr nach dem illegalen Abriss des denkmalgeschützten Uhrmacherhäusls in Giesing ist völlig ungewiss, was auf dem Grundstück passieren wird. Klar ist bislang nur: Es zu rekonstruieren, also aus den zerstörten Überresten wieder aufzubauen, so wie das die Stadt ursprünglich gefordert hatte, ist nicht möglich. Das habe die Überprüfung des Schutts ergeben, sagt Cornelius Mager, der Leiter der für Baugenehmigungen zuständigen Lokalbaukommission der Stadt. So sei etwa der Dachstuhl, ein wesentliches Originalelement, nicht mehr zu gebrauchen.

Zugleich bekräftigt Mager, dass die Stadt keinen mehrgeschossigen Neubau akzeptieren wird. Dieser dürfe allenfalls so groß werden wie der Vorgängerbau. Ein entsprechender Bescheid werde bald erlassen. Fraglich ist allerdings, ob der Grundstückseigentümer das auch akzeptiert. Mager erwartet eine juristische Auseinandersetzung, die sich über mehrere Jahre erstrecken kann. Das Uhrmacherhäusl an der Oberen Grasstraße war am 1. September 2017 ohne Genehmigung abgerissen worden. Im Zusammenhang damit ermittelt die Staatsanwaltschaft München wegen Sachbeschädigung. Sie mache sich noch ein umfassendes Bild und hänge den Fall offensichtlich sehr hoch, sagt Mager: "Es kann nämlich nicht sein, dass ein solches Verhalten wie in Giesing Schule macht."

Die Abbruchaktion, die über die Stadtviertel-Grenzen hinaus große Empörung auslöste, wühlt die Bürger noch immer auf. Das wurde auch bei einer Podiumsdiskussion "Was schützt der Denkmalschutz, wer schützt den Denkmalschutz?" der Volkshochschule deutlich. Nach Ansicht von Angelika Luible-Gariboldi von der Initiative Heimat Giesing darf sich die öffentliche Aufmerksamkeit nicht nur auf prominente Denkmäler in der Innenstadt richten. Gebäude wie das Uhrmacherhäusl in der historischen Feldmüller-Siedlung stellten ein wesentliches Identitätsmerkmal für das Viertel dar. "Wenn das aus Renditegründen vernichtet wird, muss man sich wehren", sagt Luible-Gariboldi. Die typischen und prägenden kleinen Häuser dürften nicht in Vergessenheit geraten.

Auch die Vorsitzenden der Bezirksausschüsse Obergiesing-Fasangarten, Carmen Dullinger-Oßwald, und Untergiesing-Harlaching, Clemens Baumgärtner, betonten, dass die Viertel beim Denkmalschutz keine Nebenschauplätze sein dürfen. Bereiche wie die Feldmüller-Siedlung stehen für "Heimat", sagt Dullinger-Oßwald: "Wir brauchen Bürger, die sich auflehnen, wenn hier mutwillig etwas zerstört wird." Gerade weil der Baudruck in München so hoch ist, kommt es darauf an, das charakteristische Erscheinungsbild der Stadtquartiere zu bewahren, fordert Baumgärtner: "Der Denkmalschutz sichert den Wiedererkennungseffekt."

Austauschbare Viertel, die sich überall in Großstädten befinden könnten, wollten die Bürger nicht. Gleichwohl dürfe der Denkmalschutz kein zu enges Korsett sein, wenn in einem Haus etwa Heizungen erneuert oder ein Aufzug eingebaut werden sollten. Nicht immer verstünden die Bürger, nach welchen Gesichtspunkten ein Denkmal ausgewiesen werde.

Für Generalkonservator Mathias Pfeil vom Landesamt für Denkmalpflege sind schärfere Gesetze nicht der richtige Weg, um Denkmäler besser zu schützen: "Kommunikation und Information sind entscheidend." Noch in diesem Jahr würden im Landesamt zwei neue Stellen eingerichtet - speziell für den Kontakt mit der Öffentlichkeit in Denkmalangelegenheiten. Mager warnt zugleich vor Pessimismus. München habe den Wachstumsdruck bisher baulich doch nicht schlecht bewältigt - und: "Die Heimat stirbt nicht wegen eines Hauses in Giesing."

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SZ vom 02.03.2018
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