Süddeutsche Zeitung

Gedenkprojekt:Der stille Held mit der Zither

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Eine musikalische Bühnenaktion zum 120. Geburtstag des Hitler-Attentäters Georg Elser.

Von Jutta Czeguhn

Immer wenn im Münchner Bürgerbräukeller das "Deutschlandlied" oder das Horst-Wessel-Lied gespielt worden sei, hätte sie sich mit ihren Kolleginnen in die Toilette verzogen, gibt Kellnerin Maria Strobl der Gestapo freimütig zu Protokoll. Nein, nicht aus innerem Widerstand sei das so gewesen, den Servierkräften schmerzten einfach die Arme vom Masskrug-Geschleppe, da wollten sie nicht auch noch ewig dastehen müssen mit der ausgestreckten Rechten.

Die Strobl Maria schiebt auch Dienst an jenem 8. November 1939, als dort in der Großschankstätte gegen 21.20 Uhr eine Bombe detoniert, die Hitler töten soll. Doch der Diktator und seine Schergen haben die Kundgebung im Saal bereits 13 Minuten zuvor verlassen, um den Sonderzug zurück nach Berlin zu erwischen. Ihr Flug ist wegen schlechten Wetters gestrichen worden. Kellnerin Strobl wird von der Druckwelle der Explosion zu Boden geschleudert, im Bürgerbräukeller sterben acht Menschen, mehr als 60 Personen werden verletzt. Hitler tobt.

Strobls Aussage gehört zu jenen Fragmenten aus Zeitzeugen-Berichten, Verhörprotokollen und Quellen, die sich zu einer Textcollage fügen im Sprach-Musik-Projekt "Der Zitherspieler". Das Hörstück aus dem Jahr 2012 von SZ-Journalistin Sabine Reithmaier und Georg Glasl, Dozent für Zither an der Hochschule für Musik und Theater München, ist der künstlerische Versuch einer Annäherung an Georg Elser. Der Schreiner aus dem schwäbischen Königsbronn, der leidenschaftlich Zither spielte, war mit seinem Attentat auf Hitler gescheitert, er wurde auf der Flucht festgenommen und am 9. April 1945 im KZ Dachau mit einem Genickschuss ermordet.

Die Hochschule für Musik und Theater gedenkt nun Elser, dessen Geburtstag sich am 4. Januar zum 120. Mal jährte. In der Reihe "hellhörig" ist der "Zitherspieler" am Mittwoch, 11. Januar, als musikalisch-performative Bühnenaktion zu erleben. Start ist um 19 Uhr im südlichen Lichthof, Arcisstraße 12, mit "Hinterlassenschaften", einer Begegnung von Musik und Tanzinstallation, von dort aus folgt das Publikum einer Klangspur zur Reaktorhalle an der Luisenstraße, wo um 19.30 Uhr die Sprach-Musik-Collage "Der Zitherspieler" beginnt.

Er habe, im Angesicht des seit September 1939 von Hitler begonnenen Zweiten Weltkriegs, "ein noch größeres Blutvergießen zu verhindern versucht", hat Georg Elser in den Gestapo-Verhörprotokollen gesagt, ansonsten gibt es weder Briefe noch Tagebücher, in denen sich der verschlossene Mann zu den Motiven seiner Tat äußert. Seine Stimme übernimmt in der Reaktorhalle die Zither, jenes Instrument, das er auch als "Sonderhäftling" im Zellenbau des Konzentrationslagers Sachsenhausen noch spielen konnte, wo er vor seiner Ermordung in Dachau eingesperrt war.

Auf der Bühne tritt ein Zitherspieler, sehr konzentriert und reduziert, in Dialog mit Ruth Geiersberger. Die Performerin und Schauspielerin spricht die Texte zum Liveklang der Komposition "Jeshimon" von Peter Kiesewetter und Zuspielungen, die die Szenerie zusätzlich mit Geräuschen und Klängen aufladen. Mitwirkende sind Studierenden der Kompositionsklasse von Moritz Eggert, die sich mit dem Attentat, mit Widerstand und Zivilcourage auseinandersetzen, zudem das Volta Ensemble unter der Leitung von Mark Pogolski sowie Mitglieder der Ballettakademie. Die künstlerische Leitung liegt wie ehedem bei Georg Glasl.

hellhörig 4: "Der Zitherspieler" - eine musikalische Bühnenaktion, Mi., 11. Jan., 19 Uhr, Südlicher Lichthof, Arcisstraße 12, 19.30 Uhr, Reaktorhalle, Hochschule für Musik und Theater München, Luisenstraße 37a, freier Eintritt, Einlassbändchen von 18.30 Uhr an der Pforte Arcisstraße 12

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