Süddeutsche Zeitung

Zweifel an Vergabe:Gasteig-Sanierung könnte sich verzögern

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Von Heiner Effern, Alfred Dürr, München

Der Sanierung des Gasteigs droht eine massive Verzögerung: Die in der Auswahl des Planungsentwurfs unterlegenen Architekten wollen gegen die Vergabe des Umbaus an das Büro Henn vorgehen. Sie sind sich sicher, dass der Aufsichtsrat und auch das zuvor tagende Empfehlungsgremium unter Druck standen, als sie ihre Entscheidung trafen. Eike Rollenhagen, einer der Architekten aus der Bauzeit des Gasteigs, hatte kurz davor mit Verweis auf seine Urheberrechte erklärt, dass er sich nur mit dem letztlich gewählten Siegerentwurf arrangieren könne.

Die Architekten Tobias Wulf aus Stuttgart und Moritz Auer aus München wollen wegen "erheblicher Verstöße gegen das Vergaberecht" ein Verfahren einleiten: Zuerst werden sie beim Gasteig als Auslober des Architektenwettbewerbs eine Rüge einreichen. Sollte diese folgenlos bleiben, wollen sie die Entscheidung von der Vergabekammer bei der Regierung von Oberbayern prüfen lassen. Unter diesen rechtlichen Vorzeichen müssen die Mitglieder des Münchner Stadtrats überlegen, ob sie am 24. Oktober dem Vorschlag des Gasteig-Aufsichtsrats folgen und den Auftrag endgültig an das gewählte Büro vergeben wollen. Dieser letzte Schritt im Verfahren steht noch aus.

Offiziell hat das Kulturzentrum sein Votum nach den Wettbewerb deshalb noch nicht bekannt gegeben, das Ergebnis ist aber längst durchgesickert. "Wir wollen, dass der Stadtrat nachdenkt, ob er dieses Risiko eingeht", sagt Tobias Wulf. Aus seiner Sicht sind die Regularien des Wettbewerbs verletzt worden. "Wir wollen aber ein faires Verfahren mit gleichen Kriterien von A bis Z." Angeführt wird auch, dass das Büro Henn bereits im Vorfeld des Wettbewerbs mit vorbereitenden Untersuchungen beauftragt worden sei. Es habe einen Informationsvorsprung gehabt. Auch Moritz Auer hat sich entschlossen, gegen die Vergabe vorzugehen. Er argumentiert, dass sein Büro mit einem Informationsrückstand in die Überarbeitungsphase des Wettbewerbs gegangen sei. "Wir sind keine schlechten Verlierer", sagt er, aber gerecht sei das Verfahren nicht gewesen.

Dass die Urheberrechte aus der Bauzeit des Gasteigs in den 1970er- und 80er-Jahren für die Sanierung eine wichtige Rolle spielen könnten, hatte die SPD-Fraktion im Rathaus am 8. Oktober öffentlich gemacht. Das war bis dahin nur einem engen Zirkel bekannt gewesen. Die Sanierung sei eventuell "gefährdet", hieß es in der schriftlichen Mitteilung. Ein Einspruch Rollenhagens wegen Verletzung der Urheberrechte koste "wohl bereits im günstigsten Fall eine Millionensumme". Bürgermeister und Aufsichtsratschef Josef Schmid (CSU) nannte die Vorwürfe eine "Wahlkampfklamotte" vor der Landtagswahl. Gasteig-Chef Max Wagner sprach von einem "Missverständnis". Man sei im besten Einvernehmen mit Rollenhagen und den anderen drei Inhabern der Urheberrechte.

Das Hickhack macht die Architekten misstrauisch

Im Lauf der Woche bis zur Entscheidung durch den Aufsichtsrat sickerte durch, dass der Gasteig zwar tatsächlich in engem Kontakt mit Rollenhagen stehe, dieser trotzdem eine "Denkschrift" verfasst hatte, in der er der Sanierung klare Grenzen setzte. Nur einer der drei Siegerentwürfe könne damit in Einklang gebracht werden, soll er intern geäußert haben. Der Bild-Zeitung bestätigte er dies öffentlich. Daraufhin beschloss der Aufsichtsrat, nochmals alle drei Architekten und einen Erben aus der Gasteig-Bauzeit zum Gespräch zu laden und die Sitzungen der entscheidenden Gremien zu vertagen. Alle vier sollen keinen Bedarf geäußert haben. Also trafen am Freitag das sogenannte Bewertungsgremium, einer aus der früheren Wettbewerbs-Jury, dem Stadtrat und der Verwaltung gemischten Runde, und der Aufsichtsrat ihre Wahl. Diese fiel auf den Entwurf, den sich Rollenhagen gewünscht hatte.

Dieses Hickhack macht die Architekten misstrauisch. Dass genau zum entscheidenden Zeitpunkt eine Denkschrift aufgetaucht sei und die Probleme damit öffentlich gemacht wurden, finden sie seltsam. Auch auf Nachfrage bei der Jury habe es geheißen, dass die Urheberrechte bei der Planung der Sanierung nicht zu beachten seien. Auf dieser Basis hätten sie den Wettbewerb angenommen. Da diese offensichtlich am Ende nicht mehr gegolten habe, sehen sie die Vorgaben der Vergabe als verletzt an. Viel Arbeit für nichts, ein möglicher großer Auftrag geplatzt: Das wollen die Architektenbüros nicht hinnehmen.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2018
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