Süddeutsche Zeitung

Unfall in München:Straßenbahn entgleist und kracht in Haus

Lesezeit: 2 min

Von Sebastian Krass, Andreas Salch und Stefan Simon

Herr Bumm hört einen "Riesenkrach"

Bei einem Unfall in der Maxvorstadt ist am Freitag eine Straßenbahn entgleist und in ein sechsstöckiges Wohnhaus gekracht. Ein Kleintransporter hatte die Tram gerammt, dabei wurde der 58-jährige Fahrer in dem Lieferwagen eingeklemmt. Er wurde mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht.

Der Unfall ereignete sich um 11.20 Uhr. Die Tram der Linie 27 fuhr auf der Barer Straße stadteinwärts und hatte gerade die Pinakotheken passiert, als der weiße Renault von rechts aus der Gabelsbergerstraße kam. Durch die Wucht des Zusammenstoßes wurde der erste der drei Zugteile aus den Gleisen gestoßen und schlitterte auf ein Wohnhaus zu. Dessen Fassade ist im Erdgeschoss zurückversetzt, ein riesengroßes Glück für alle Beteiligten: Die Straßenbahn prallte nicht gegen eine Hauswand, sondern blieb unterhalb des ersten Stocks in einer Passage für Fußgänger stecken - zwischen mehreren Stützpfeilern aus Beton. Der Tramfahrer hätte keine Möglichkeit gehabt, den außer Kontrolle geratenen Zug zu steuern oder zu stoppen.

Auch den Bewohnern des Mehrfamilienhauses fuhr der Schreck in die Glieder. Der 80-jährige Michael Bumm trank in seiner Wohnung im dritten Stock gerade Kaffee, als es einen "Riesenkrach" gab. Zuerst habe er an ein Gewitter gedacht, schilderte er. Doch dann sei er hinaus auf den Balkon gelaufen und habe gesehen, was passiert war. An der Kreuzung gebe es zwar immer wieder Zusammenstöße, doch "einen solchen Unfall habe ich hier noch nie gesehen", sagte Bumm.

Lebensgefahr bei den Bergungsarbeiten

Die Straßenbahn war zu dem Zeitpunkt nicht voll besetzt. Zwei Fahrgäste erlitten nach Angaben der Polizei leichte Verletzungen. Am frühen Nachmittag begannen Feuerwehr und Stadtwerke, den etwa 40 Tonnen schweren Zug zu bergen. Zuvor hatte ein Statiker das Haus untersucht. Ein Sprecher der Berufsfeuerwehr sagte, an dem Haus sei lediglich ein Teil der Wärmedämmung beschädigt worden. Die Statik habe keinen Schaden genommen.

Mit starken Seilwinden wurde die Tram Zentimeter um Zentimeter zurück auf die Straße gezogen. Währenddessen war die Unfallstelle von der Polizei mit rot-weißen Bändern weiträumig abgesperrt worden. Würde eine der zentimeterdicken Stahltrossen beim Anziehen mit den Zugwinden reißen, befänden sich alle Umstehenden in Lebensgefahr, erklärte der Feuerwehrsprecher die Vorsichtsmaßnahme.

Die Sperrung dauerte bis in den späten Nachmittag. In der Maxvorstadt kam es deshalb zu erheblichen Verkehrsbehinderungen. Die Polizei befragte Zeugen, um herauszufinden, wer die Schuld an dem Zusammenstoß trägt. Ob die Tram oder der Transporter bei Rot in die Kreuzung gefahren war, blieb zunächst unklar. Der Schaden wurde auf eine halbe Million Euro beziffert.

"Ein besonders gutes Geschäft"

Vor dem nahe gelegenen Café von Sieglinde und Georg Arnold in der Barer Straße verfolgten zahlreiche Passanten die Arbeiten. So einen "heftigen" Unfall habe sie in den dreißig Jahren, in denen sie hinter der Theke des Cafés stehe, noch nie erlebt, sagte Sieglinde Arnold. Der "laute, dumpfe Krach" des Unfalls sei "bestimmt in einem Umkreis von 500 Metern" zu hören gewesen, sagte Sieglinde Arnold. Ihr Mann schüttelte den Kopf: Nur Augenblicke nach der Kollision seien bereits die ersten mit Kameras und Teleobjektiven angerückt und hätten alles fotografiert. Einer, so Arnold, habe wissen wollen, "ob wir wegen des Unfalls heute ein besonders gutes Geschäft machen".

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