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Fußball-EM:Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten: Wer bietet die vollsten Stadien?

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Die Fußball-Bosse wünschen sich EM-Partien vor möglichst vollen Zuschauerrängen und können dabei leicht Städte gegeneinander ausspielen. Was für ein Irrsinn mitten in einer Pandemie. München sollte sich dem Druck nicht fügen.

Kommentar von René Hofmann

Wie wichtig dem Sport das Thema ist, lässt sich schon an der Frequenz ablesen, mit dem seine Vertreter es transportieren: München müsse wirklich schauen, dass es beim Rennen um die Fußball-EM im Sommer nicht abgehängt werde, und jetzt ambitionierte Konzepte vorlegen, wie trotz der Pandemie im Juni Spiele vor Zuschauern möglich sein können, forderte Rainer Koch am Montag erneut. Das ist legitim. Koch ist Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), und dessen Interesse muss es sein, das Spiel mit dem Ball möglichst vielen möglichst oft möglichst nahe zu bringen. Jedem Sport ist Eigenwerbung ein Anliegen. Darin unterscheidet sich das eher spezielle Geschäft von keinem anderen. Worin es sich unterscheidet: Weil das Geschäft mit dem Sport so lukrativ ist, hat er oft die Auswahl, wo er seine Bühne aufschlägt.

Der Wettbewerb um die Gastgeberrolle führt dazu, dass die Kandidaten gegeneinander ausgespielt werden können. Zu normalen Zeiten ist das ein Prozedere, das zwar nicht schön ist, das aber allen, die sich ihm unterwerfen, bewusst ist. Nun, in Corona-Zeiten, kann es jedoch zu einem gefährlichen Wettlauf werden. In St. Petersburg soll die Arena, die gut 60 000 Zuschauer fasst, zur EM zur Hälfte ausgelastet werden. Amsterdam tritt mit dem Plan an, sein Stadion zu zwei Dritteln oder gar drei Vierteln füllen zu wollen. Bietet noch jemand mehr? Oh ja, England. Der dortige Verband hat als Ziel "volle Stadien" ausgerufen, hoffentlich schon zum Ende der EM. Deren Finale ist am 11. Juli im Wembley-Stadion geplant, in das 90 000 Zuschauer passen.

Und München? Tut gut daran, sich an diesem Wettbieten nicht zu beteiligen. Die Pandemie-Bekämpfung mag manchen als Wettbewerb erscheinen, ein Spiel aber ist sie ganz sicher nicht. An jedem Ort gibt es unterschiedliche Herangehensweisen, ein eigenes Tempo. Jedes Land und jede Stadt muss einen eigenen Weg finden durch diese Seuchenzeit. Den Blick ab und an zu heben und schweifen zu lassen, kann Anregungen bringen - oder Mahnungen. Vorschnell anderen nachzueifern aber verbietet sich. Mit Blick auf die EM tut München gut daran, auf sicher zu spielen. Selbst wenn die EM dann eben anderswo gespielt wird.

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SZ vom 07.04.2021
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