Süddeutsche Zeitung

Pflegenotstand:Hilfskräfte am Krankenbett

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In der Kreisklinik Fürstenfeldbruck fehlen Pfleger. Nun werden Quereinsteiger in einem Schnellkurs ausgebildet. Sie übernehmen Pflichten wie examinierte Pflegekräfte, bekommen aber nicht alle Rechte.

Gerhard Eisenkolb

Von Gerhard Eisenkolb

Fürstenfeldbruck - Der Mangel an qualifizierten Pflegekräften ist an der boomenden Brucker Kreisklinik zu einem Dauerproblem geworden. Während in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der Patienten um 21 Prozent gestiegen ist, sind inzwischen mehr als zehn Stellen für examinierte Pflegekräfte nicht mehr zu besetzen. Deshalb können seit Monaten in zwei Stationen nicht mehr alle verfügbaren Betten belegt werden. Um diesen Notstand zu mildern, hat die Klinikleitung im Frühjahr damit begonnen, in einem Dreimonatskurs erstmals Hilfspflegekräfte zu schulen. Die ersten 15 Lehrgangsteilnehmer wurden alle angestellt.

Wie Klinikvorstand Stefan Bauer und Pflegedienstleiter Wilhelm Huber am Montag auf SZ-Anfrage erklärten, lässt sich mit den Hilfskräften der Mangel an Pflegepersonal nicht beheben. Das sei auch nicht beabsichtigt. Es gehe nur darum, zur Entlastung der examinierten Kräfte einige Tätigkeiten zu delegieren. Die Personalvertretung unterstützt dieses Modell. Jede Hand, die für die Pflege zur Verfügung stehe, werde benötigt, sagte der Personalratsvorsitzende und Klinikarzt Holger Geißler. Würden die wenigen Schwestern, die es noch gebe, nicht spürbar entlastet, müssten in absehbarer Zeit ganze Stationen geschlossen werden. Der Einsatz von Hilfskräften sei jedoch mit Abstrichen verbunden. Geißler sagte: "Damit wird die Qualität der Pflege abgeschwächt."

Das bestreitet die Pflegedienstleitung nicht. Weil die Hilfskräfte letztlich nur Nebentätigkeiten übernehmen können, sind auch die Einsatzmöglichkeiten beschränkt. Mit insgesamt 25 Hilfspflegern sind laut Huber alle Stellen besetzt. An eine weitere Aufstockung des Hilfspersonals auf den Stationen sei nicht gedacht. Mehr als ein bis zwei Hilfskräfte könnten je Station nicht eingesetzt werden. Laut Klinikvorstand Bauer ist mit diesem Zusatzpersonal das Ziel nicht zu erreichen, die geschlossenen Stationen wieder zu öffnen. Da das nur mit voll ausgebildeten Pflegern oder Schwestern gehe, müsse die Klinik weiter um jede examinierte Kraft kämpfen. Daran würden auch die Überlegungen nichts ändern, die bei einem Subunternehmen beschäftigten Hilfskräfte zu den Tarifbedingungen des öffentlichen Dienstes direkt beim Kommunalunternehmen anzustellen.

Auf den Stationen der 380-Betten-Klinik arbeiten zurzeit 203 voll ausgebildete Krankenschwestern und Pfleger. Dazu kommen in den Operationssälen, bei der Notaufnahme oder in anderen Fachabteilungen nochmals 65. Da momentan Wohnungen leer stehen, die in den 90er Jahren zur Unterbringung von Pflegekräften errichtet worden sind, bezweifelt Bauer, dass der Pflegenotstand mit dem Bau weiterer Personalwohnungen gemildert werden kann. Die Klinikleitung setzt stattdessen auf den Ausbau der Kinderbetreuung und die Ausbildung eigener Fachkräfte. Die Zahl der Ausbildungsplätze wurde auf sieben erhöht. Zudem will man in osteuropäischen Ländern Fachkräfte abwerben, wozu Sprachkurse angeboten werden. Auch weitere Hilfskräfte werden ausgebildet. Diese können aber nicht mit einem Arbeitsplatz in der Klinik rechnen. Sie sollen bei Pflegediensten und in Seniorenheimen arbeiten, die wegen des Pflegenotstands Klinikpersonal abwerben.

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Quelle:
SZ vom 02.08.2011
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