Süddeutsche Zeitung

Maisach:Schuhe für Generationen

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Die Familie Huttenloher will ihr traditionelles Schuhhaus in Maisach schon schließen. Da hilft der Zufall und Andreas Dittrich wird als Nachfolger gefunden.

Von Erich C. Setzwein, Maisach

Wenn Vicky Krieps als Kaiserin Elisabeth von Österreich sich im aktuellen Film "Corsage" in den Sattel ihres Pferdes schwingt und davonreitet, sind für einen Moment ihre Schuhe zu sehen. Sie sehen bequem aus, und zu Lebzeiten Elisabeths müssen sie es auch gewesen sein. Waren sie doch den Füßen Sisis angepasst. Ein Paar Stiefeletten, die die Kaiserin getragen haben soll, sind im Museum des Schuhhauses Pflanz in der Altstadt von Landsberg am Lech zu sehen - neben den Ornatsschuhen ihres Cousins Ludwig II. von Bayern und anderen ausgelatschten Tretern von historischen Persönlichkeiten. Solche Prunkstücke stehen in einem Laden an der Bahnhofstraße in Maisach zwar nicht, aber auch dort ist viele Jahrzehnte lang das Schuhmacherhandwerk ansässig gewesen und wird es nach wie vor sein. Denn auch wenn sich die Familie Huttenloher aus ihrem Geschäft zurückgezogen hat, so ist der Laden doch nicht geschlossen worden. Ein Schuhmacher aus München hat den Laden gepachtet, und Andreas Dittrich ist nach knapp zwei Wochen in Maisach gut aufgenommen worden. Denn Dittrich, 51, hat ein Faible für bequeme Schuhe und auch damit die Tradition im Hause Huttenloher übernommen.

Beinahe hätten Evi und Josef Huttenloher ihr Geschäft in diesem Jahr aus Altersgründen für immer schließen müssen. Es fand sich niemand, der es weiterführen wollte. Vier Jahre lang habe man nach einer Nachfolge gesucht, sagt Josef Huttenloher, doch es habe sich niemand bereiterklärt, die Werkstatt und den Laden zu übernehmen. Dabei ist das Schuhhaus Huttenloher bekannt für die Orthopädie-Schuhtechnik und die Schuhauswahl für jeden Fuß. Nicht umsonst kommt die Kundschaft des Maisacher Schuhhauses aus dem ganzen westlichen Landkreis bis nach Odelzhausen sowie aus Eichenau, Olching, Gröbenzell und Fürstenfeldbruck. Und diese Kundinnen und Kunden kennen sich aus mit Bequemschuhen. Sie wissen, wo man sie auch außerhalb von Maisach bekommt, weshalb ein Kundentipp zum Schuhhaus der Familie Dittrich in den Münchner Stadtteil Aubing führte. Von Dittrich erfuhr Huttenloher, dass dessen Mietvertrag gekündigt worden war. Wohnungen sollen an der Altostraße gebaut werden, und da hat der Einzelhandel zu weichen. Und Dittrich, so sagt er selbst, war dann doch überrascht über das Angebot, hatte er sich doch schon mit dem Gedanken getragen, nach dem kurzfristigen Aus in Aubing ganz mit dem Schuhhandel aufzuhören.

Jetzt also Maisach. Das ist für Dittrich, seit 1994 Schuhmachermeister und damals der zweitbeste Meister seines Jahrgangs, ein richtiger Neuanfang. Aus dem alten Geschäft nahm er mit, was er gewohnt war, und konnte auch noch rechtzeitig bei den Händlern bestellen, denn sonst hätte er keine Schuhe zu verkaufen gehabt. "Wir haben Bedarfskunden", sagt Dittrich, der selbst gern Schuhe einer Schweizer Firma trägt. Deren Herrenmodelle bietet er auch in Maisach an, doch wie viele andere Qualitätshersteller werde es auch diese Marke bald nicht mehr geben, berichtet der Ladeninhaber. Bedarf ist also da, wenn es im März schon 20 Grad hat und die Leute Sandalen haben wollen, sagt Huttenloher. Und Dittrich ergänzt, dass man zwar die Ware der Saison vorrätig habe, aber auf höchst unterschiedliche Wünsche und Vorstellungen der Kundschaft reagieren müsse. Hinzu kommt: "Jeder Fuß ist anders, viele kommen, wenn sie Probleme mit den Füßen habe", sagt Dittrich.

So verortet der neue Ladeninhaber die Hauptzielgruppe bei Frauen zwischen 40 und 60 Jahre, viele auch älter. Die seien auf der Suche nach eben bequemen Schuhen, nachdem sie "jahrelang ungesunde" getragen hätten. Für ungesund hält der Schuhmachermeister Absätze von fünf Zentimetern aufwärts und kann aus Erfahrung sagen: "Die Zeit der Pumps ist vorbei."

Die Familie Dittrich betreibt schon seit vielen Jahren einen Schuhhandel und war auch schon im Landkreis Fürstenfeldbruck vertreten. An der Kurfürstenstraße in Germering betrieb der Vater von Andreas Dittrich eine Filiale zu seinem Hauptgeschäft in Aubing. Ursprünglich hatte Dittrichs Großvater die Tradition begonnen, als er als Schuster Schuhe für Darstellende in der bayerische Staatsoper und für Filmproduktionen anfertigte. Sein Vater stieg dann in den Handel mit industriell gefertigten Schuhen ein, ehe Dittrich - ein gebürtiger Münchner, verheiratet und vier Kinder - nach seiner Lehre als Schuhmacher den Meistertitel machte und sich im orthopädischen Schuhzurichten und für Einlagen qualifizierte. Ob er nun als Unternehmer wieder in die Fertigung orthopädischer Schuhe einsteigt, ist noch offen. Josef Huttenlohers Wunsch wäre es, denn so viele Vertreter seines Berufs gibt es nun auch nicht in der Gegend.

Die Voraussetzungen wären vorhanden, denn gleich im Anschluss an Laden und Lager befindet sich die Werkstatt. Es riecht nach Leder und Gummi, nach Kleber und Maschinen. Es ist noch das Reich des 69 Jahre alten Schuhmachers, der einige Stunden in der Woche Kundenaufträge abarbeitet. Allerdings müsste sein Nachfolger sich zuerst bei den Krankenkassen zertifizieren, denn von den Privatpatienten könne eine Orthopädieschuhmacherwerkstatt nicht existieren, gibt Huttenloher zu bedenken.

Jede Zeit hat ihre Schuhmode, und wenn zu Zeiten der Kaiserin Sisi Stiefel geköpft wurden, so sollten sie jetzt einfach zum Reinschlupfen sein. Sneakers etwa werden so gebunden, dass sie leicht und lässig an- und auszuziehen sind. Wenn also jetzt gerade die Zeit für die weißen Sneaker ist, dann muss jedes Geschäft eben auch weiße Turnschuhe im Angebot haben. Auch im Laden von Andreas Dittrich stehen sie in den gut ausgeleuchteten Regalen auf Blickhöhe, doch fehlen auf ihnen die großen internationalen Markennamen. Das Geschäft machten andere, die Zielgruppe seien die jungen Menschen, denen die Marken wichtig seien. In Dittrichs Laden an der Maisacher Bahnhofstraße kommt es bei diesen Modellen, die weniger zum Sport, als vielmehr im Alltag und im Büro getragen werden, auf die inneren Werte an. Lässt sich die Innensohle herausnehmen, welchen stützenden Aufbau hat der Schuh, wie ist die Sohle gepolstert?, sind die Fragen, die Dittrich seinen Kundinnen und Kunden beantworten könnte, wenn sie sie stellen. Auf die Frage nach der herausnehmbaren Sohle hat der Handwerksmeister sogar zwei Antworten: Die Sohle lässt sich durch eine Einlage ersetzen, und wenn sie herausgenommen wird, kann der Alltagsschuh ganz einfach in der Waschmaschine gewaschen werden.

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