Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Abgedreht - Filmkulissen rund um München:Als die Spree einmal durch Olching floss

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Der fünfteilige Fernsehfilm "Am grünen Strand der Spree" wird in den Sechzigerjahren zum Straßenfeger. Gedreht hat Regisseur Fritz Umgelter dafür auch im Landkreis Fürstenfeldbruck - und anschließend Morddrohungen erhalten.

Von Florian J. Haamann, Olching

"Euch haben sie vergessen zu vergasen". In einem Interview erinnert sich Ingrid Umgelter noch genau an die Drohungen, die sie und ihr Mann, der Regisseur Fritz Umgelter, nach der Ausstrahlung seines fünfteiligen Fernsehfilms "Am grünen Strand der Spree" erhalten haben. Damals, Anfang der Sechzigerjahre, freilich nicht wie heute in den sozialen Netzwerken, sondern noch ganz klassisch per Zettel im Briefkasten. "Euch kriegen wir auch noch dran", lautete eine andere Botschaft. Mit den Filmen hatte sich Umgelter unter anderem an ein Thema gewagt, das in der jungen Bundesrepublik noch weitgehend tabu war: die Verbrechen des Nationalsozialismus. "Das war für ihn die Bewältigung seiner Kriegserlebnisse", so die Witwe Ingrid Umgelter im Gespräch mit Elisabeth Lang, die zur Lokalgeschichte forscht.

Für den vierten Teil der Serie, der 1953 in der Nähe des in der damaligen DDR gelegenen Fürstenwalde spielt, hat Regisseur Umgelter die Spree kurzerhand in den Landkreis Fürstenfeldbruck verlegt. Als Drehort diente ihm der Olchinger See, an dessen Ufer eine ganzer Straßenzug als Kulisse entstand, einige Szenen wurden im benachbarten Gröbenzell gefilmt. Einer, der das Spektakel damals als Bub live erlebt hat, ist Albert Donhauser. "Ich habe nicht weit vom See entfernt gelebt, deswegen haben wir uns immer wieder dort getroffen. Für uns war das natürlich hochinteressant. Einmal hat uns ein Mitarbeiter oder vielleicht der Regisseur selbst weggejagt, weil wir zu nah an der Aufnahme waren. Wir fanden es damals ziemlich lächerlich, dass unser See die Spree war", erinnert sich der 75-jährige Donhauser.

Die Erwachsenen hätten sich damals weniger für die Dreharbeiten interessiert. "Das Schwaigholz, das im Film der Soldatenfriedhof war, war für uns als Kinder unsere Spielwiese." Entlang der Ascherbachstraße, damals weniger als ein Feldweg, seien die Kulissen aufgebaut worden. "Von vorne haben die ausgeschaut wie richtige Häuser, aber als wir dahinter geschaut haben, waren das nur lauter Latten. Und als Panzer hatten sie ein verkleidetes Auto mit einem Ofenrohr als Kanone, das hat uns damals köstlich amüsiert, wir haben uns gedacht, das gibt es doch nicht, das glaubt doch keiner. Aber im Film hat es dann total echt ausgesehen".

Der Film, der den Untertitel "Bastien und Bastienne" trägt, erzählt vom ehemaligen Schauspieler Peter Koslowski (gespielt von Peter Pasetti), der im Krieg ein Bein verloren hat und nun im kleinen Örtchen Markgrafpieske in einem kleinen Haus direkt am Ufer der Spree lebt. Eines Tages erscheint dort eine mysteriöse junge Frau aus dem Westen, wohlhabend und gut gekleidet, die er nur Bastienne (gespielt von Elisabeth Müller) nennt, weil sie ihm ihren Namen nicht verraten will. Koslowski hilft ihr bei der Suche nach dem Grab des Soldaten Hans Wratislaw (Peter Thom), der dort auf einem anonymen Soldatenfriedhof liegen soll. Als die Ruhestätte gefunden ist, will Bastienne den Toten in ihre Heimat nach Westberlin überführen lassen. Doch auf mysteriöse Weise verschwindet das Grab in dieser Nacht. So beginnt die Suche nach dem Geheimnis Wratislaws. Dabei stößt Koslowski unter anderem auf die Geschichte des Hütemädchens Bärbel, die den Soldaten in seinen letzten Minuten begleitet hat und die neben dem Vieh auch das Grab bewacht.

Regisseur Fritz Umgelter, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, gilt als umtriebiger Filmemacher der jungen Bundesrepublik und als einer der Pioniere des Fernsehspiels. 1922 in Stuttgart geboren, meldete er sich im Zweiten Weltkrieg freiwillig zur Luftwaffe, um einer Zwangsrekrutierung zur SS zu entgehen. Nach einem Job als Bühnenbildner landete er 1953 beim Hessischen Rundfunk, wo er acht Folgen der "Augsburger Puppenkiste" live inszenierte, Aufzeichnungen waren im Fernsehen damals noch nicht möglich. Erst kurz vor beginn der Dreharbeiten zu "Am grünen Ufer der Spree" war die Familie nach Gröbenzell gezogen. Insgesamt hat Umgelter in seinem Leben bei mehr als 100 Produktionen Regie geführt, von der Spielshow "Wer gegen wen?" über zahlreiche Tatort-Folgen bis zu sechs Folgen "Das Traumschiff", die seine letzten Arbeiten kurz vor dem Tod am 9. Mai 1981 waren. Als sein bekanntester Spielfilm gilt "Wenn die Conny mit dem Peter" von 1958 mit Peter Kraus und Conny Froboess, der sich dem damals aufkommenden Genre des Schlagerfilms zurechnen lässt.

Wer am östlichen Ufer des Olchinger Sees entlangspaziert, sieht von den Kulissen damals natürlich nichts mehr. Der damalige Feldweg ist längst zu einer kleinen Straße ausgebaut worden. "Aber ein paar der Häuser, die man ab und zu im Hintergrund sieht, stehen heute noch so da", sagt der 75-jährige Albert Donhauser. Was sich allerdings noch entdecken lässt, ist der damalige Bahnhof in Gröbenzell, der heute die S-Bahn-Station ist. Dort hat Umgelter einige Szenen gedreht, die die Protagonisten bei der Ankunft in Fürstenwalde zeigen. Klar, das ein oder andere ist mittlerweile modernisiert, es gibt einen Fahrradständer statt eines kleinen Holzschuppens und auch die Porträts von Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck hängen nicht mehr, genau wie die Tafeln mit sozialistischen Motivationsparolen. Ähnlichkeiten findet man dennoch, wenn man heute mit aufmerksamem Blick rund um den Bahnhofsplatz spaziert.

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