Süddeutsche Zeitung

Traditionelle Gedenkveranstaltung in Moosburg:"Höchste Zeit, das Ruder herumzureißen"

Lesezeit: 2 min

Der DGB warnt auf dem ehemaligen Stalag-Friedhof in Oberreit vor einem neuerlichen Wettrüsten und mahnt zu Frieden und Abrüstung.

Von Alexander Kappen, Moosburg

Der 1. September ist der Tag, an dem Hitler-Deutschland mit dem Überfall auf Polen 1939 den Zweiten Weltkrieg entfesselte. Auf den Tag genau zwei Jahre später trat die Verordnung in Kraft, die Juden im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten zwang, als Kennzeichnung einen gelben Stern zu tragen. An diese schrecklichen Ereignisse der deutschen Geschichte erinnerten Vertreter des DGB-Kreisverbands Freising-Erding sowie des Moosburger Ortsverbands am Mittwoch auf dem ehemaligen Stalag-Friedhof in Oberreit, wo sie 82 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs ihre traditionelle Gedenkveranstaltung abhielten.

Unter dem Motto "Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!" erinnerten sie dabei nicht nur an die Gräueltaten im Dritten Reich, sondern auch an Kriege der jüngeren Vergangenheit, insbesondere den in Afghanistan, den die Westmächte dort 20 Jahre lang geführt und letztlich verloren haben. "Man hat gesehen, wie absurd es ist, Demokratie mit Waffengewalt einführen zu wollen", sagte der Kreisvorsitzende Guido Hoyer und forderte "eine Umkehr", weg von Krieg, hin zu Frieden und Abrüstung.

Viele Gefangene des Moosburger Lagers sind umgekommen

Der 1. September sei "ein Tag des Erinnerns", dass Deutschland mit seiner Vergangenheit "eine besondere Verantwortung für den Frieden trägt". Oberreit sei als Ort des jährlichen Gedenkens ausgewählt worden, "weil hier der ehemalige Lagerfriedhof des Stalags ist". Das Stalag VII A, im Zweiten Weltkrieg eines der größten Kriegsgefangenenlager im Deutschen Reich, "war ein riesiges Zwangsarbeiterlager und Teil des NS-Lagersystems - von hier aus konnte man in andere Lager transportiert werden", betonte Hoyer. Und in diesen, etwa in Mauthausen oder Dachau, fanden viele Gefangene des Moosburger Stalags den Tod. Auch im Stalag selbst, so Hoyer, seien viele umgekommen - etwa durch Unterernährung, Krankheit oder Kälte, "aber auch durch direkten Mord, man nannte das dann: auf der Flucht erschossen".

Der Moosburger DGB-Vorsitzende Ludwig Würfl spannte einen Bogen vom Zweiten Weltkrieg zur heutigen Zeit. Dazu, wie 1939 die Begründung für den Überfall auf Polen mit einem angeblichen Angriff auf den Sender Gleiwitz "erstunken und erlogen" gewesen und die Bevölkerung durch Propaganda für den deutschen Angriffskrieg "präpariert worden" sei, "gibt es heute Parallelen". So sei der Irakkrieg mit angeblich dort vorhandenem Giftgas begründet worden, "das man aber nie gefunden hat - und man war sogar zu blöd, nachträglich welches dort selber hinzustellen".

"Zunehmend rechtsterroristische Aktivitäten" und "rechtsradikale Tendenzen" in der Bundesrepublik

Mit einem Blick zurück ins vergangene Jahrhundert zeichnete Würfl die Stationen der Nazi-Machtergreifung und Ausschaltung ihrer Gegner nach. Die Arbeiterbewegung habe damals den großen Fehler gemacht, "sich nicht einig zu sein in der Ablehnung dieses Systems und nicht den Generalstreik ausgerufen zu haben". Mit Appeasement und Zurückweichen komme man gegen eine Diktatur nicht an.

Würfl verwies auf "zunehmend rechtsterroristische Aktivitäten" und "rechtsradikale Tendenzen" in der Bundesrepublik, auch in Teilen von Bundeswehr, Polizei und Verfassungsschutz. Mit Bezug auf eine allgemeine Erklärung des DGB sprach er neue Konfliktlinien zwischen Nato, China und Russland an und warnte vor einem Wettrüsten. Es sei "höchste Zeit, das Ruder herumzureißen, wir benötigen die Rüstungsmillionen für andere Zwecke". Etwa die Bekämpfung von Altersarmut, Kinderarmut und Armut trotz Arbeit, denen man auch durch eine gerechtere Steuerpolitik beikommen müsse.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5399289
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.09.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.