Süddeutsche Zeitung

Mitten in Freising:Gärtnern für die Lockdown-Psyche

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Nach dem langen Eingesperrtsein drängt es die Menschen wieder zur Arbeit im heimischen Garten.

Glosse Von Thilo Schröder

Nach den Friseurinnen und Friseuren jetzt also auch die anderen Menschen mit den Schnippschnapp-Scheren. Nein, nicht Edward mit den Scherenhänden oder Fieslinge mit geschliffenen Folterinstrumenten. Es darf wieder gegärtnert werden im Freistaat. Also womöglich. Zumindest will Ministerpräsident Markus Söder (CSU), dass auch Blumengeschäfte und Gartenmärkte am 1. März wieder öffnen können. Man stellt sich vor, wie sich die Verantwortlichen in der Staatskanzlei durch die langen Lockdown-Haare fahren, der Blick geht aus dem Fenster in den verbuschten Münchner Hofgarten. Zack, eine Analogie. Öffnungsstrategie mit Ansatz. Also Haar-Ansatz. Oder so.

Jedenfalls dürften sich Garten-Begeisterte in Freising freuen, wenn auch hier vom Hofgarten in Weihenstephan bis zum privaten Vor- oder Schrebergarten in Tuching wieder fleißig gegärtnert werden kann. Einige haben sich vermutlich vorsorglich mit Saatgut eingedeckt, vor dem Lockdown, andere aber werden jetzt die Chance zur Blütezeit nutzen. Denn wer weiß, was in ein paar Wochen blüht? Also von der Staatsregierung.

Wer weiß, was in ein paar Wochen blüht? Also von Regierungsseite

Klar, die ausgezeichneten Grünen Hänge in Freising dürften unter dem Lockdown nicht gelitten haben, und auch in der Fischergasse oder am Oberen Graben und in der Jägerwirtsgasse blüht es gefühlt immer, wenn man dort entlang spaziert. Aber so richtig ins Garten-Träumen kommt man halt bei geschlossenen Gartencentern und Blumenläden kaum.

Das dachte sich vermutlich auch die Staatsregierung, als man den Blick über den Hofgarten schweifen ließ. Zimmerpflanzen für die leidende Lockdown-Psyche und maßgeschneiderte Garten-Skulpturen nach amerikanischem Vorstadt-Vorbild gegen die kaputte Kultur: Das wär doch was. Nach außen alles picobello. Aber mei, zu viel Zynismus ist vielleicht auch übertrieben. Nach der Klopapier-Hamsterei im ersten Lockdown wirken perfekt gestutzte Rasen ja irgendwie gar nicht mehr so klischee-deutsch.

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Quelle:
SZ vom 24.02.2021
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