Süddeutsche Zeitung

Protestaktion überrascht Freisings Pendler:"Klimarettungsgasse" im Berufsverkehr

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"Extinction Rebellion" blockiert am Freitagmorgen eine Hauptroute aus der Stadt, erntet den Zorn der Autofahrer - und ein gewisses Verständnis der Polizei.

Von Alexandra Vettori, Freising

Kurz nach sieben Uhr morgens an diesem Freitag, dem Tag des globalen Klimastreiks, sind sie angerückt: 26 Aktivistinnen und Aktivisten der "Extinction Rebellion"-Gruppe Freising. Ihr Ziel: Den Autoverkehr auf der Münchner Straße, einer der Hauptrouten für Freisinger Pendler, zu stören und damit auf den Klimanotstand hinzuweisen. Die Autofahrer, so der Plan, sollten durch eine "Klimarettungsgasse" fahren müssen. Ausgestattet mit Leuchtwesten und Transparenten, spannen sie ein Flatterband quer über die stadtauswärts führende Fahrbahn.

Sofort wird gehupt, die Blicke der ausgebremsten Autofahrer schwanken zwischen ungläubigem Erstaunen über die Gestalten auf der Straße und blankem Zorn. Die Zettel, auf denen die Aktion erklärt wird, wollen nur wenige durch das Fenster gereicht bekommen, und auch die gespendeten Hörnchen aus einem Food-Sharing-Programm nimmt nur eine Mutter an, für ihr Kind auf der Rückbank. Die Autos und Lastwagen versuchen, sich langsam an der Gruppe vorbei zu quetschen, immer länger wird die Schlange derer, die es nicht schaffen. Keine zehn Minuten später ist die Polizei da, sperrt den Verkehr schon von der Bahnhofstraße her. Der Stau an den Demonstranten löst sich langsam auf, brav schieben sich die letzten Autos durch die "Klimarettungsgasse".

Zwei Polizeibeamte treten an die Gruppe heran. Einer von ihnen erklärt die Sachlage: "Es muss jetzt eine Versammlung angemeldet werden, dann bekommt ihr Auflagen und einer muss der Versammlungsleiter sein." Die Aktivisten beraten hinter ihrem Flatterband, und entscheiden sich dagegen. Eine Demonstrantin, "Polizei-Kontakt" steht auf ihrem Rücken, verhandelt mit den beiden Beamten. "Mir ist der Anlass der Aktion heute durchaus bewusst und für euer Thema habe ich auch ein gewisses Verständnis, aber wir haben eine klare Rechtslage", sagt einer der beiden Polizeibeamten in sehr ruhigem Ton. Die Gruppe stimmt ab, schließlich einigt man sich mit der Polizei darauf, dass genau um 7.50 Uhr die Fahrbahn geräumt wird und die Versammlung, auch ohne Versammlungsleiter, auf dem Gehsteig stattfinden darf.

Pünktlich zur vereinbarten Zeit rollt der Verkehr wieder, die Beamten behalten das Grüppchen noch im Auge, ansonsten scheinen alle zufrieden sein. Eine Aktivistin lobt ausdrücklich die "sehr kooperative" Art der Freisinger Polizei, mit einem Lächeln fügt sie hinzu, "sie waren eher hilfreich, wenn man sich vorstellt, was alles hätte passieren können."

Ob bei den motorisierten Berufspendlern die Botschaft wirklich angekommen ist, nämlich für das Klima auf Rad, Bus und Bahn umzusteigen, darf bezweifelt werden. 43 000 Pendler gibt es laut Extinction Rebellion allein im Landkreis Freising, 75 Prozent derer, die im Landkreis arbeiten, kommen im Auto, bei den Auspendlern sind es 59 Prozent. Wie Menschen zum Umsteigen auf klimafreundlichere Verkehrsmittel bewegt werden könnten, stand auf den Flyern der Gruppe: mit einem Radschnellweg zwischen Freising und München, Schnellbussen nach Garching und München, Nulltarif im und Ausbau des ÖPNV. Es ist, nach einem "Die-In" am Flughafen, also dem gewaltlosen Herumliegen von Demonstranten, die sich tot stellen, die zweite Aktion mit der die Freisinger Gruppe von Extinction Rebellion auf sich aufmerksam macht. Seit dem Frühsommer gebe es die lose Gruppe, erzählt eine Aktivistin, einige kommen auch aus Landshut, wo es noch keine Ortsgruppe der weltweit agierenden Demonstranten gibt. Extinction Rebellion ist eine relativ neuer Zusammenschluss von friedlichen Aktivisten, die mit fantasievollen Aktionen, Blockaden und zivilem Ungehorsam gegen die ökologische Katastrophe protestieren wollen.

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Quelle:
SZ vom 21.09.2019
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