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Reiten und Corona im Landkreis Freising:Schichtplan für den Reitstall

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Im Gegensatz zu anderen Sportarten ist das Reiten nicht verboten, denn regelmäßige Bewegung ist für das Tierwohl notwendig. Stallbesitzer müssen aber genau darauf achten, dass sich die Menschen auf den Höfen nicht zu nahe kommen. Reitunterricht fällt überall aus.

Von Katharina Aurich, Freising

Die Ausgangsbeschränkungen, die im Zuge der Corona-Pandemie erlassen wurden, treffen auch Reiter, ihre Pferde und vor allem die Besitzer von Pensionspferdeställen. Sportarten wie Tennis oder Golfen sind verboten, das Reiten ist aber weiterhin erlaubt, allerdings mit Auflagen. Es gehe dabei nicht um Freizeitgestaltung oder Sport, sondern ausschließlich um das Wohl der Tiere, betont Magdalena Arnold vom Reitstall Gut Hollern in Eching, in dem 65 Pensionspferde stehen.

Die Tiere dürfen bewegt werden, man könne inzwischen auch wieder zu zweit ausreiten, aber jegliches soziales Treffen der Reiter untereinander sei verboten, beschreibt Arnold. Die Betreiber von rund 90 Pensionspferdeställen im Landkreis, die durchschnittlich 20 Tiere halten, wie Anton Röhrl vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten weiß, müssen sich jetzt nicht nur um die Tiere, sondern auch um die genaue Umsetzung der Vorschriften kümmern, um nicht eine Schließung ihrer Ställe für die Pferdebesitzer zu riskieren. Die Einhaltung dieser Regeln werde von der Polizei überwacht, erklärt Robert Stangl, Pressesprecher des Landratsamtes Freising. Bisher wurde im Landkreis noch kein Stall wegen Verstößen geschlossen. Offensichtlich würden die Einschränkungen konsequent umgesetzt, so Stangl.

Ein Pferd, das lange nicht geritten wird, kann "unausgelastet und frech" werden

Die Reiterstüberl, sonst die sozialen Treffpunkte für die Pferdebesitzer in den Ställen, sind geschlossen, und in den Hallen und auf den Reitplätzen müssen für jedes Pferd 200 Quadratmeter Platz zur Verfügung stehen. In einer 600 Quadratmeter großen Halle dürfen zum Beispiel nur drei Pferde gleichzeitig geritten werden. Christa Hobmeier, die in Haag den Pensionspferdestall "Bitzerhof" mit rund 40 Gastpferden betreibt, ist froh, dass sich die Pferdebesitzer um ihre Tiere kümmern können. Denn ein Pferd, das mehrere Wochen nicht geritten werde, könne "unausgelastet und frech" werden. Setze sich nach längerer Zeit dann wieder ein Reiter auf seinen Rücken, sei die Unfallgefahr hoch. Deshalb sei das regelmäßige Training für Pferd und Reiter so wichtig. Glücklicherweise hätten die Pferde auf dem Bitzerhof alle Weidegang und Bewegung, sie würden jedoch leistungsmäßig heruntergefahren, und es werde kein Kraftfutter mehr gegeben.

Wie in allen Pensionsställen sind auch im Bitzerhof die Besuche der Reiter bei ihren Pferden genau reglementiert. Maximal fünf Personen gleichzeitig dürfen sich zwei Stunden lang im Stall aufhalten, informiert Hobmeier. Für sie bedeutet die Coronakrise eine Menge zusätzlicher Arbeit, denn die Stallbesitzerin ist dafür verantwortlich, dass die Bestimmungen eingehalten werden. Es komme vor, dass sie Reiter, die sich nicht an ihr Zeitfenster hielten, wieder nach Hause schicken müsse. Außerdem kümmere sie sich verstärkt um die Gesundheit der Pferde, da die Halter seltener in den Stall kommen, und sie nehme auch die nötigsten Termine mit dem Schmied oder dem Tierarzt mit ihren Pensionspferden wahr.

Betreiberin Hobmeier rechnet damit, dass sich bis Jahresende einige Besitzer von ihrem Pferd trennen

Hobmeier dokumentiert genau, wer sich wann auf dem Hof aufhält, damit sie im Falle einer Infektion eines Kunden dem Gesundheitsamt eine lückenlose Liste vorlegen könne, wer wann im Stall war. Bisher mache sich die Krise wirtschaftlich nur beim gestrichenen Reitunterricht bemerkbar, der aber nur einen kleinen Teil ihrer Einnahmen ausmache. Allerdings rechnet Hobmeier damit, dass sich bis zum Jahresende einige Pferdebesitzer aus wirtschaftlichen Gründen von ihrem Vierbeiner trennen müssen. Ein großes Problem sei die Krise vor allem auch für Pferdezüchter, die ihre Jungtiere verkaufen müssten, denn die Nachfrage nach dem Luxusgut Pferd werde vermutlich deutlich zurückgehen.

Reitschüler, die kein eigenes Pferd besitzen, müssen schon seit Mitte März auf Kontakt zu den Vierbeinern verzichten, denn die Reitschulen, wie zum Beispiel der Reit-und Fahrverein Freising in Massenhausen, sind geschlossen. Die Reitlehrer jedoch bieten ihren 160 Schülern ein umfangreiches Online-Angebot, berichtet Schulleiterin Angela Struck. "Für unsere Schüler bieten wir theoretischen Unterricht online an, denn die Kinder- und Jugendlichen hätten monatsweise den Unterricht gebucht, also auch im April." Daher sei es finanziell bisher für den Reit- und Fahrverein noch nicht schwierig. Struck hofft jedoch, dass sie im Mai wieder in Kleingruppen unterrichten oder Einzelunterricht anbieten darf.

Die Reitlehrer, die nun auch die Schulpferde bewegen müssen, bieten ihren Schülern digitalen Theorieunterricht und dazu gibt es täglich kleine Geschichten von den Schulpferden, Videos von den Tieren auf der Weide oder wie sie schlafen. Der Lernstoff, so Struck, werde dann über Skype abgefragt, denn den Reitlehrern sei es wichtig, in Kontakt mit den Schülern zu bleiben. Diesen sind die Online-Möglichkeiten ohnehin vertraut, meist besser als den Erwachsenen.

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SZ vom 22.04.2020
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