Süddeutsche Zeitung

Fluglärm:Nachts am Flughafen München landen darf nicht jeder

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Wenn der Promistatus keinen Vorteil bringt: Das Verkehrsministerium erteilt Sondergenehmigung für Starts und Landungen in der Nacht nur sehr restriktiv. Für wen es Ausnahmen gibt und für wen nicht.

Von Peter Becker, Freising

Anna Netrebko, Bruce Springsteen oder Iron Maiden - wer da Superstar ist und sich einbildet, nachts in der Kernzeit des Nachtflugverbots zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens auf dem Flughafen im Erdinger Moos starten oder landen zu dürfen, hat Pech gehabt. Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr ist sehr restriktiv, was das Erteilen von Sondererlaubnissen angeht. Für Stars und Sternchen werde da keine Ausnahme gemacht, erklärte Uwe Büchner in seinem Vortrag zur Nachtflugregelung während der Sitzung der Fluglärmkommission am Mittwoch. Büchner ist einer derjenigen, die Ausnahmen von der Regel genehmigen.

Man muss schon ein Staatsoberhaupt sein, das etwa an der Münchner Sicherheitskonferenz teilnimmt, um nachts am Flughafen im Moos starten und landen zu dürfen. Weitere triftige Gründe sind medizinische oder technische Probleme, die während eines Fluges auftreten, und der Transport von gespendeten Organen. Natürlich gibt es auch für Fußballer und deren Fans eine Ausnahme. Letztere wolle man nach Uefa-Cup- oder Champions-League-Spielen möglichst schnell wieder loswerden, bevor sie in München, Freising oder am Flughafen Fensterscheiben zertrümmerten, sagte Büchner.

Insgesamt sei die Nutzung des zur Verfügung stehenden Nachtflugkontingents von 51 Prozent im Vorjahr auf 57 Prozent im Jahr 2023 angestiegen, referierte Hermann Blomeyer, Umweltbeauftragter am Flughafen. Dies liegt allerdings weniger an Steigerungen im Frachtverkehr, als vielmehr an der großen Nachfrage "im Asien-Verkehr", erklärte Josef Schwendner, Generalbevollmächtigter der Flughafen München GmbH (FMG). Generell viel gefragt seien Langstreckenflüge, insbesondere in die USA. Doch der innerdeutsche Flugverkehr schwächle nach wie vor, sagte Schwendner.

Was die FMG freut, die Nachbarschaft in der Flughafenregion dagegen weit weniger, ist, dass die Passagierzahlen gegenüber 2022 um 5,4 Millionen Reisende gestiegen sind. Damit liegt der Flughafen immer noch weit unter dem Niveau von 2019, also vor der Corona-Pandemie. Damals zählte die FMG 48 Millionen Passagiere. Flugbewegungen gab es im vergangenen Jahr 302 000 im Moos, das sind 17 Prozent mehr als 2022. "Es ist noch Luft nach oben", stellte Schwendner fest.

Parallel zum zunehmenden Betrieb im Moos steigt die Zahl der eingehenden Beschwerden an. Diese gingen teils bei der FMG selber ein, zumeist aber am Luftverkehrsamt Süd und der Deutschen Flugsicherung. Robert Biberger vom Luftverkehrsamt Süd sagte, dass die Zahl der Beschwerden von 3808 im Jahr 2022 auf 5388 im Jahr 2023 angestiegen ist. Dagegen blieb die Menge der Menschen, die Beanstandungen vorgetragen haben, in etwa gleich: 85 im Jahr 2022, 96 im vergangenen.

Die meisten Beschwerden über Fluglärm kamen aus Attenkirchen

Nun gibt es Personen, die sich sporadisch beschweren, und solche, die notorisch eine ganze Flut von Protesten loslassen. Letztere hat Biberger herausgerechnet, um zu ergründen, wodurch sich "die breite Masse der Bevölkerung" gestört fühlt. Die Spitze der Verteilung liegt im Sommer, was nicht weiter verwundert. Da befinden sich die meisten Menschen im Freien und in den Häusern sind die Fenster geöffnet. Häufige Beschwerden betreffen Überflüge am Tag. Generell hat Biberger festgestellt, dass die Menschen in der Region sensibel auf die häufigeren Flugbewegungen reagieren.

Die meisten Beschwerden kamen aus Attenkirchen. Deren Zahl wuchs von 34 auf 56 an. Auf Rang zwei folgt Fahrenzhausen (24). Wobei Bürgermeisterin Susanne Hartmann beanstandete, dass die Messstation in der Gemeinde wohl falsche Ergebnisse liefere. Sie steht offenbar am Rettenbach unter Bäumen. Das erzeuge Hintergrundgeräusche durch Rauschen, gab Blomeyer zu. Manchmal verfälschten Partys oder Motorräder die Messergebnisse, wenn sich der Lärm in der Nähe der Station ereigne. Einer Verlegung stimme die FMG nur ungern zu, weil sonst Vergleichswerte fehlten. Kirchdorfs Bürgermeister Uwe Gerlsbeck wünscht sich eine Zuordnung des Lärms zu den unterschiedlichen Flugzeugtypen.

Der Bürgerverein Freising fordert immer wieder die Verwendung von Taxibots, die Flugzeuge vom Terminal zur Startbahn schleppen oder von der Landebahn zu ihrer Parkposition. Das würde den Ausstoß von CO₂ senken. Vonseiten der FMG und der Lufthansa heißt es, das würde sich am Flughafen nicht lohnen, weil dort die Wege zu kurz sind.

Auf die Verwendung von schwefelarmen Kerosin hat die FMG keinen Einfluss. Das sei Sache der Airlines. Allerdings könne man versuchen auf Raffinerien Einfluss zu nehmen, um mehr schwefelarmes Kerosin zu produzieren. Je weniger Schwefel der Treibstoff enthalte, umso geringer sei der Ausstoß von Ultrafeinen Partikeln, heißt es. "In welchem Ausmaß, ist aber nicht bekannt", sagte Blomeyer.

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