Süddeutsche Zeitung

Drogenberatung im Landkreis Freising:Sorge um jugendliche Konsumenten

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Grüne und FDP befürworten eine Legalisierung von Cannabis. Suchtberater wie Bärbel Würdinger begrüßen die damit verbundene Entkriminalisierung, fordern aber, Prävention und Jugendschutz zu beachten.

Von Gudrun Regelein, Freising

Auch Leon Eckert, der neugewählte Grünen-Bundestagsabgeordnete aus Eching, hat sich im Wahlkampf für eine Legalisierung der "weichen Drogen", darunter Cannabis, ausgesprochen. Cannabis ist noch immer die unter Jugendlichen am häufigsten konsumierte Droge. Während der Konsum von Alkohol und Tabak insgesamt leicht rückläufig ist, stieg der von Cannabis wie bereits in den Vorjahren gerade bei den jungen Erwachsenen, heißt es in dem neuen Bericht 2021 der Drogenbeauftragten der Bundesregierung. Experten auch in Freising sehen eine Legalisierung zwiespältig.

Die Diskussion, ob Cannabis legalisiert werden sollte, ist nicht neu. Aber nun nimmt sie Fahrt auf: Die Grünen und die FDP sind für einen regulierten Verkauf, die SPD für eine regulierte Abgabe an Erwachsene in Modellprojekten. Bärbel Würdinger, Leiterin der Freisinger Suchtberatungsstelle Prop, sieht dies mit gemischten Gefühlen: "Aus Sicht der Konsumenten sage ich Ja, denn das würde eine Entkriminalisierung bedeuten." Mit Blick auf Jugendliche und junge Erwachsene aber habe sie die Prävention im Fokus. Eine Liberalisierung, so sagt Würdinger, sei nur unter Beachtung des Jugendschutzes denkbar und sinnvoll. "Legalisieren und das war es dann, kann nicht sein. Wir müssen die Gruppe, die damit Probleme hat, im Blick behalten und versorgen."

Die Entkriminalisierung ist ein Vorteil der Legalisierung, es braucht aber auch mehr Hilfen

Die Zahlen sprechen für sich: Seit Jahren stellen Suchtberatungsstellen einen Anstieg der Cannabiskonsumenten fest, Cannabis ist die am häufigst konsumierte illegale Droge in Deutschland. Bei Prop wurden im vergangenen Jahr insgesamt 929 Menschen beraten oder behandelt. Fast die Hälfte von ihnen, nämlich 48,6 Prozent, gab an, bisher mindestens einmal Cannabis konsumiert zu haben - oder dies dauerhaft zu tun. Knapp 290 Klienten, also 36,6 Prozent, kamen, da sie bereits Probleme mit Cannabiskonsum hatten. "Darunter waren einige Jugendliche und junge Erwachsene, die riskant oder sogar abhängig Cannabis konsumierten und eine Behandlung benötigten."

Die Position der Suchttherapeuten ist laut Würdinger bei diesem Thema seit Jahren die gleiche: Betroffene sollten entkriminalisiert werden und es muss schnelle und unbürokratische Hilfe geben. Daneben betonen Suchtberater aber, wie wichtig die Prävention und die Einhaltung des Jugendschutzes sei. Bei der Legalisierung gebe es vier Ziele, die von der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren genannt werden. Das erste, grundsätzliche sei, dass möglichst wenige junge Menschen ein Suchtmittel konsumieren. "Das gelingt uns nur, wenn wir die Lebenswelten junger Menschen verbessern. Die Corona-Zeit hat sich hier sicherlich negativ ausgewirkt", sagt Würdinger.

Im Landkreis gibt es seit 2017 eine niedrigschwellige Jugendsprechstunde

Die Lebenskompetenz der Jugendlichen müsste gefördert werden. Wenn junge Menschen konsumieren, dann möglich risikoarm: So lautet das zweite Ziel. Hier gehe es hauptsächlich darum, jungen Menschen wissenschaftlich fundierte Informationen über die Risiken des Suchtmittels zu geben. Drittes Ziel sei, jungen Menschen mit problematischem Konsum möglichst früh effektive Hilfe anzubieten - und denjenigen, die den Konsum beenden möchten, auch eine Beratung und Behandlung zu ermöglichen, das sei dann das vierte Ziel.

Realität seien diese Ziele aber noch nicht, sagt Würdinger. Die Jugenddrogenberatung in Bayern sei noch lange nicht flächendeckend. Im Landkreis Freising aber sei man relativ gut aufgestellt. So gebe es dank Sponsoren und der Unterstützung des Jugendamtes seit 2017 eine niedrigschwellige Jugendsprechstunde, die gut besucht werde. Daneben bietet Prop mit den Projekten "Fred", einer Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten, und "Halt", das der Prävention von riskantem Alkoholkonsum dient, Angebote, bei denen mit den Jugendlichen auf Augenhöhe geredet wird. Über das Projekt "Schulterschluss" wurde zudem eine Brücke zwischen Jugend- und Suchthilfe geschaffen.

Bei der Legalisierungsfrage gebe es nicht nur Weiß oder Schwarz, sondern viele Grautöne, sagt Würdinger. Falls die Legalisierung tatsächlich komme, brauche es aber unbedingt einen Ausbau und eine Finanzierung der Beratungsangebote, "dann müssen wir die Konsumenten auf allen Ebenen erreichen".

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SZ vom 02.11.2021
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