Süddeutsche Zeitung

Flächenmangel in München:Suche Mitarbeiter, biete Zimmer

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Von Alfred Dürr und Katja Riedel

Für Dieter Reiter ist das alles ein großes Ärgernis, und deshalb will er jetzt selbst andere ärgern. Siemens zum Beispiel oder BMW, die großen Versicherer und auch ein paar Mittelständler. All jene, die ihm stets davon berichten, dass sie dringend Wohnungen für ihre Fachkräfte aus aller Welt bräuchten, dass es auf dem überhitzten Münchner Markt aber keine gibt. Schon als Wirtschaftsreferent hat er ihnen Briefe geschrieben, warum sie denn die gute Tradition aufgegeben, Tausende Werkswohnungen verkauft haben und jetzt keine neuen bauen? Antworten hat er keine bekommen, nur Ausreden, glaubt Reiter. Und die will der Oberbürgermeister nicht länger gelten lassen.

Mit Schaufel, Anzug und Stadtwerke-Chef Florian Bieberbach steht er am Dienstagmittag in einer Haidhauser Baugrube. Denn die städtische Tochter will bis 2022 das machen, was bisher kein Konzern in München plant: Werkswohnungen bauen, den eigenen Bestand fast verdoppeln, von 550 auf etwa 1050. Vor allem auf eigenen Flächen. Solche besäßen auch einige der großen Münchner Firmen, die ihm vortrügen, dass es an genau solchen Flächen mangele, sagt Reiter. Er erwarte ein anderes Engagement, besonders von den "Erfolgsgewohnten". Ihnen will er zeigen, was möglich ist.

Nicht die finale Lösung

Werkswohnungen sind für ihn zwar nicht die finale Lösung des Münchner Wohnungsproblems, aber sie könnten doch zur Lösung beitragen - und zugleich den Mietspiegel senken, durch sozialverträgliche Mieten, die nicht das maximal Mögliche ausschöpfen. Deshalb hat die Stadt in der Funkkaserne Flächen nur für Werkswohnungen vorgesehen und erwägt jetzt eine generelle Quote für diese Art von Wohnraum. Fehlen nur noch die Investoren. Doch bisher hat Reiter nur eine Antwort bekommen: Projekte zum Wohnungsbau stünden "derzeit nicht im Fokus", das habe er von Vorständen gehört.

Doch warum bauen die Konzerne nicht selbst? Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) hat diese Frage untersucht. "Die Firmen setzen sich mit diesem Thema auseinander - sie haben aber ein anderes Modell gefunden und bauen nicht selbst, sondern mieten lieber Wohnungsbestände an", sagt Claudia Schlebach, die sich bei der IHK um das Thema Wohnen kümmert. Wenn ein Unternehmen selbst baue, sei das nicht die Kernkompetenz, da brauche es Spezialisten der Immobilienwirtschaft.

Für Firmen, die ihren Fachkräften eine vorübergehende Bleibe anböten, etwa in sogenannten Boardinghäusern, sei das schlicht billiger, als selbst zu bauen. Dennoch wüssten ganze Branchen, etwa Krankenhäuser, Pflegebetriebe oder die Hotellerie, dass sie nur dann Fachkräfte bekämen, wenn sie zumindest zum Start Wohnraum anbieten.

München ist teuer wie nie

Wohnungen sind in München nicht nur besonders gefragt; sie zu bauen, ist wegen der hohen Bodenpreise auch so teuer wie nirgendwo sonst in Deutschland. Kommunalreferent Axel Markwardt hat am Dienstag die aktuellen Zahlen vorgestellt, die dem städtischen Gutachterausschuss vorliegen. Dieser bekommt alle Kaufverträge zu sehen und alle Preise. Der Umsatz ist bei Wohnungsverkäufen innerhalb eines Jahres um vier Prozent gestiegen, obwohl die Zahl der Verkäufe zurückging - weil es einfach nichts mehr gibt auf dem leer gefegten Münchner Markt.

Ein wesentlicher Indikator für den Immobilienboom sind die sogenannten Bodenrichtwerte. Spitzenreiter ist die Fußgängerzone: Dort kostet ein Quadratmeter Grund inzwischen 85 000 Euro. Insgesamt haben sich die Bauland-Preise in München seit 1980 beinahe verfünffacht und in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.

Vor diesem Hintergrund werde es für die Stadt immer schwieriger, gegen den überhitzten Markt anzugehen, sagte Helmut Thiele, Chef des Gutachterausschusses. Das betrifft auch den geplanten Bau von Werkswohnungen. Auch der Blick in die Umlandgemeinden und die Suche nach entsprechenden Grundstücken zeige bisher noch keine Erfolge, sagte Thiele.

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SZ vom 13.05.2015
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