Süddeutsche Zeitung

Premiere der Bayern-Doku:Müller macht's

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Pointen, Puffer, Persönliches: Bei der Premiere der Doku über den FC Bayern wird klar, warum der Verein diese Serie drehen ließ.

Von Philipp Crone, München

Thomas Müller hat am Ende die vielleicht griffigste Erklärung. Das wundert auf der einen Seite nicht, wo Müller doch ohnehin ein recht wortgewandter Fußballer ist. Andererseits sind bei der Premiere der Dokumentation "Behind the Legend" über den FC Bayern am Montagabend im Arri-Kino so viele Gäste geladen, die sich kompetent oder zumindest ausschweifend über dieses Projekt äußern könnten, dass man vielleicht ausnahmsweise nicht auf Müller als Statement-Sieger kommen könnte.

Während draußen einige Fans in vollem rot-weißen Ornat auf ihre Kickerhelden warten, machen sich im Innenhof neben dem roten Teppich die Moderatoren und Kameraleute bereit, um gleich die so wichtigen Stimmen einzufangen. Es reicht ein Blick auf die mindestens 40 Fotografen und Mikrofonhalter, um schon mal einen Grund zu erkennen, warum der FC Bayern sich filmen ließ und das Ergebnis vom 2. November an auf Amazon Prime zu sehen ist: die Deutungshoheit. Wo jeden Tag Nachrichten über den erfolgreichsten und gefragtesten Sportverein des Landes entstehen respektive entstanden werden, lohnt es sich vielleicht an einem bestimmten Punkt, selbst zu zeigen, wer und was dieser Verein noch immer oder wieder ist.

Also schlendert Sportvorstand Hasan Salihamidžić zur Türkenstraße, verschwindet nach ein paar geduldigen Autogrammminuten in einem Nebeneingang und kommt auf dem roten Teppich wieder raus, um auch etwas zum FC Bayern zu sagen. Immerhin hat er laut Karl-Heinz Rummenigge alle sechs Folgen schon gesehen. "Gut und kompakt", sagt Salihamidžić offenbar in einem ersten Spielanalyse-Reflex, dann folgt: "Die Doku kommt zur richtigen Zeit" und erzählt auch seine, Salihamidžićs, eigene Geschichte mit seiner Flucht als Kind aus Bosnien. Offen, ehrlich, emotional und "sehr wahr", das sind die Begriffe, die der Sportvorstand verwendet, eher er in den Kinosaal läuft und den Hauptdarstellern Manuel Neuer und Thomas Müller das Feld überlässt. Die stechen nicht nur heraus, weil sie schon von Weitem von sämtlichen Fotografen mit "Manu!" und "Thomas!" angebrüllt werden, sondern auch, weil sie sich als zwei von nur sehr wenigen nicht an den offenbar inoffiziellen Dresscode des Abends gehalten haben, der für Junggebliebene oder ostentativ Modebewusste: Dunkle Sachen oder gar Sakko zum weißen Turnschuh.

Während sich neben dem Teppich Regisseur Simon Verhoeven und Oliver Kahns Ehefrau Svenja über ihre halbwüchsigen Kinder unterhalten, Verhoevens Sohn kickt bei Grünwald, Kahns lieber an der Konsole, wird Müller auf einen Satz der Doku immer wieder angesprochen. In dem sagt er, dass er eigentlich aufhören wollte, wenn die Kameras in die Kabine kommen. Hat er nicht, wie Oliver Kahn mit einem Grinsen, das bei ihm ja immer das gesamte Gesicht betrifft, in die Kameras spricht. Kahn war Fürsprecher der Doku, und Müller dann irgendwann auch, was unter anderem daran lag, dass es Kameramann und Mitregisseur Nepomuk Fischer schaffte, "unsichtbar" zu werden, wie es manche formulieren, oder eben einfach das Vertrauen der Spieler zu gewinnen. Dementsprechend ist er oft dabei, sogar bei einer Verletzungsdiagnose von Lewandowski. Neuer erzählt, dass er nicht gedacht hätte, mal in einer Bayern-Doku aufzutauchen, aber es habe sich im Vergleich zum Beginn seiner Karriere eben sehr viel verändert. Heute überträgt alles und jeder, auf dem roten Teppich stehen Influencer und Youtuber, jeder hat eine Meinung und eine Frage, viele auch zum Pokalspiel am Mittwoch gegen Gladbach. Denn das ist ja auch so eine Sache: Es zählt nur das nächste Spiel, die Leistung, die Verletzten, vielleicht noch Kimmichs Impfstatus (zu dem Thema gibt es von der Chefetage vor allem verhaltene Sätze mit einer generellen Impfempfehlung). Da kann auch eine Doku, die auf Jahrzehnte Bayern-Geschichte zurückblickt und versucht, den Verein zu erklären, nur ein kurzes Innehalten erreichen. Denn schon geht es weiter.

Müller und Neuer haben gerade noch Zeit, nach einer kurzen Talkrunde die erste Folge anzuschauen. Müller fasst dann diese Dokumentation gut und eben ziemlich griffig zusammen, indem er erzählt, worum es eigentlich überhaupt geht, neben der Unterhaltung. Um die Persönlichkeiten des Vereins, das Tagesgeschäft, aber auch um den Globus FC Bayern, wie sich dieser anfühlt. Auf der Leinwand ist zu sehen: rastlos und humorvoll. So einen Leistungsstress hält man wohl nur aus, wenn man regelmäßig Dampf über blödelige Aktionen oder Sprüche ablassen kann. Da werden dem Mitspieler Golfschläger zwischen die Beine gehalten oder Fußballtennis mit Champions-League-Einstellung gespielt.

Nach der ersten Folge werden Neuer und Müller mit Applaus verabschiedet, Spiel eben, Abreise am Dienstag, schlafen, regenerieren, gewinnen. Das Hamsterrad, das nie stillsteht. Draußen steht nach der Vorstellung ein Vater mit seinem Sohn, der ihn fragt, wann die Serie denn nun zu sehen ist. "Erst am Dienstag? Nicht schon Samstag?" Wer dem FC Bayern auf irgendeinem Kanal folgt, der kriegt meistens nie genug, und auch nicht oft genug. Einen kleinen Puffer gibt es jetzt, auch wenn es nur ganz kurzweilige 270 Minuten sind.

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