Süddeutsche Zeitung

Walderholung im Sollacher Forst:Deeskalation durch reale Begegnung

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In Isen wurde zuletzt mit ungeahnter Heftigkeit über einen geplanten Waldspielplatz gestritten. Der in den sogenannten sozialen Medien und mit einer Online-Petition ausgetragene Streit wurde durch einen Diskussionsabend im Rathaus nicht beigelegt, aber erheblich entschärft.

Von Florian Tempel, Isen

Es war eine gelungene Debatte. Nicht etwa, weil am Ende alle einer Meinung gewesen wären und versöhnt nach Hause gingen. Sondern weil die circa 70 Leute, die am Donnerstagabend ins Isener Rathaus gekommen waren, überhaupt miteinander geredet hatten. Das war doch etwas ganz Anderes als die unschöne Streiterei, die zuvor auf Facebook, einem angeblich sozialen Medium, und mit einer Online-Petition ausgetragen worden war. Es wurde diskutiert, so wie man es sich wünscht.

Von außen betrachtet hat man sich schon gefragt, was mit den Isenern überhaupt los ist, dass sie sich wegen eines Spielplatzes so in die Haare kriegen. Tatsächlich ist das jedoch wohl völlig normal. Professor Michael Suda, der an der TU München über Wald- und Umweltpolitik forscht und lehrt, kann das aus wissenschaftlicher Sicht bestätigen. Streit ist bei Waldprojekten programmiert, erklärte er bereits vor einem Jahr der SZ. Er habe das für eine Kinderuni-Veranstaltung einmal so zusammengefasst: "Im Wald da ist die Hölle los." Das sei so, weil der Wald so vielen Leuten ans Herz gehe. Eigentlich wollten ja alle im Wald runterkommen und ein positives Erlebnis haben, aber sie hätten dabei ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen.

Am Donnerstagabend stellte Udo Rieger vom Verein Isenwerk das Projekt noch einmal vor. Während des Corona-Lockdowns hatte er den nahen Wald wiederentdeckt. Daraus entstand die Idee, die tollen Erlebnisse im Sollacher Forst auch anderen Kindern und Familien zu vermitteln. In einer Arbeitsgruppe wurde die Idee über mehrere Jahre hinweg ausgearbeitet und verfeinert. Das Gesamtprojekt beinhaltet nun drei lehrreiche Wandelwege durch den Wald zu den Themen "Biber", "Lehmabbau für Ziegel" und "Sturm". Über QR-Codes werden an passenden Stellen Informationen und kleine Podcasts abrufbar sein. Das Konzept hierfür hat eine junge Forstwissenschaftlerin als Bachelorarbeit realisiert. Der Waldspielplatz, für Kinder zum Austoben und für Erwachsene zum Ausruhen, liegt ganz in der Nähe der Ausgangs- und Endpunkte der Wandelwege, nahe eines bereits existierenden Parkplatzes. Vom Zentrum Isens ist er Luftlinie 1,5 Kilometer entfernt.

Das ganze Projekt geht nur mit der ausdrücklichen Unterstützung der Bayerischen Staatsforsten, die die Fläche für den Waldspielplatz kostenfrei an die Marktgemeinde Isen verpachten. Die Kommune ist der Bauherr des Spielplatzes, dessen Bau der Verein Isenwerk allerdings komplett durch Spenden und Sponsoring finanziert. Die Gemeinde trägt aber später die Wartungs- und Instandhaltungskosten.

Von Anfang an wird das Projekt auch kritisch gesehen. Vor wenigen Wochen eskalierte die Sache aber, nachdem die Baugenehmigung erteilt worden war. Im Internet wurde verbreitet, es werde ein "Areal, das mehrere Fußballfelder groß ist, gerodet". Zudem werde der Lebensraum von "mehreren gefährdeten Tierarten (...) unwiederbringlich zerstört." Außerdem erzeuge der Spielplatz viel Verkehr, werde voraussehbar vermüllt, zum Party- und Drogenkonsumplatz und sei für Kinder letztlich sogar gefährlich.

Am Donnerstag wurden diese Punkte in der realen Welt besprochen. Dabei kam Forstbetriebsleiter Heinz Utschig eine besondere Rolle zu. Er machte klar, dass keineswegs Flächen gerodet werden, es werden nicht einmal einzelne Bäume gefällt. Eine weitere Falschbehauptung sei es, dass geschützte Arten bedroht wären. Der Waldspielplatz entstehe eben nicht an einer besonders schützenswerten Ecke des Sollacher Forst. "Müll im Wald ist ein Riesenproblem", räumte Utschig, aber "man kann es nur durch Disziplin, Ansprechen und positives Erleben klein halten". Er sehe die Wandelwege und den Waldspielplatz als pädagogischen Beitrag, der das Bewusstsein schärfen sollte.

Utschigs klare argumentative Darlegung ließ wenig Widerspruch zu. Bürgermeisterin Irmgard Hibler (FW) entkräftete zudem die Behauptung, die Sache wäre für die Gemeinde finanziell zu teuer oder gar risikoreich. Und Udo Rieger versicherte, die Initiatoren vom Isenwerk würde ein Auge auf den Platz haben, weil sie natürlich nicht wollten, dass er verwahrlose.

In der Diskussion wurde dann deutlich, dass die scheinbaren Gegenargumente in erster Linie wohl vorgebracht worden waren, weil die Kritiker im Wald schlicht und einfach keinen Spielplatz wollen. Aus den unterschiedlichsten Beweggründen. Einer fürchtete "eine Übervölkerung", so als ob ein Spielplatz im Wald Menschenmassen anziehen könnte. Eine Frau sagte, sie suche im Wald Erholung und Ruhe. Spielplätze sind, wie jeder weiß, nicht unbedingt die ruhigsten Orte. Ein anderer beklagte, Kindern Spielgeräte hinzustellen, schade ihrer Fantasie, freies Spiel sei besser.

Ein Befürworter hielt all diesen Einwänden entgegen, "der Wald ist doch nicht nur für Rentner, Hundebesitzer und Jogger da". Es gebe "ein demokratisches Recht, dass man den Wald nutzen darf", das gelte auch für Kinder, die Spielplätze mögen. Eine Isenerin betonte, dass das Projekt doch eh demokratisch längst entschieden sei. Gleichwohl wird der Gemeinderat am 14. Mai auch noch mal darüber reden.

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