Süddeutsche Zeitung

Soziale Schieflage:Bratpfannen am Altkleidercontainer

Lesezeit: 2 min

Nicht nur billige Ware erschwert Organisationen im Landkreis Ebersberg das Sammeln von Textilien.

Von Franziska Langhammer und Johanna Feckl, Ebersberg

Gemütliches Bummeln durch Geschäfte ist zwar schon seit Wochen nicht mehr möglich, doch der Kauflust scheint das keinen großen Abbruch zu tun - vor allem, was billige Klamotten angeht. Von einer Flut an minderwertigen bis nicht mehr brauchbaren Kleidungsstücken berichten diverse Betreiber von Altkleidercontainern schon seit längerem. Im vergangenen Jahr wurden deshalb bereits in vielen deutschen Großstädten Altkleidercontainer im großen Stil abmontiert. Ein Rundruf bei Betreibern im Landkreis Ebersberg zeigt, dass die Billigware nur eines der Probleme ist.

"Letztes Jahr haben wir im Sommer teilweise Container abgezogen", sagt Elisabeth Seibl-Kinzlmaier, Kreisgeschäftsführerin des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in Ebersberg. Von den 144 Containern an 91 Standorten habe man 14 entfernt. "Das ist überschaubar", so Seibl-Kinzlmaier. In manchen Gemeinden habe das BRK zwei Container stehen gehabt, so dass die derzeitigen Sammelstellen ausreichend sind. "Sie werden noch immer rege gefüllt", so die BRK-Geschäftsführerin. Auch sie berichtet von einer oft minderwertigen Qualität der Kleidung. "Schon seit zwei Jahren bemerken wir, dass abgegebenen Textilien nicht mehr so hochwertig sind", sagt sie. Seit es Pfand auf Plastiktüten gebe, würden die Menschen die Kleidung auch oft einfach so in die Container werfen. "Kaum einer schmeißt ein gut erhaltenes Teil weg", so Seibl-Kinzlmaier.

Von den Maltesern, die ebenfalls im Landkreis mehrere Sammelstellen betreiben, heißt es, ein Abzug von Altkleider-Containern sei ihnen derzeit nicht bekannt, alle Standorte würden weiter wie gewohnt bedient.

Mit ganz anderen Problemen hingegen hat die "Aktion Hoffnung", eine Hilfsorganisation der Diözese Augsburg zu kämpfen. Insgesamt neun Sammelbehälter betreibt die Organisation im Landkreis Ebersberg, darunter in den Orten Aßling, Egmating, Markt Schwaben, Oberpframmern, Steinhöring, Vaterstetten und Zorneding. Auch hier sei kein Abbau von Containern geplant, so Sprecherin Karin Stippler. Jedoch würden Müllablagerungen in und an den Sammelbehältern immer mehr zum Problem. "Die Leute stellen Bratpfannen und Gartenmöbel neben die Altkleider-Container", sagt Stippler, "die müssen wir dann kostenpflichtig entfernen." Weil die Betreiber selbst dafür verantwortlich sind, das Umfeld der Container sauber zu halten, stelle das nicht nur einen großen Aufwand, sondern auch eine finanzielle Belastung dar. Die "Aktion Hoffnung" appelliert daher an die Bürger, keine Sammeltüten vor oder neben die Altkleider-Container zu stellen sowie Hausrat, Gartenabfälle und sonstigen Müll über Wertstoffhof oder Hausmülltonne zu entsorgen.

Außerdem, berichtet Karin Stippler, stehe die "Aktion Hoffnung" wie jeder Sammler von Altkleidern vor der Herausforderung, viel Fast Fashion in den Kleiderspenden vorzufinden. Darunter versteht man billig produzierte Textilien, die einem oft schnell wechselnden Modegeschmack angepasst werden. "Es gibt den Trend, Billigkleidung maßlos zu kaufen und relativ schnell wieder wegzuwerfen", erklärt Karin Stippler. Wenn man ein günstiges T-Shirt, das drei, vier Euro gekostet habe, ein paar Mal trage und wasche, verliere es meist an Form und Farbe. Weil die "Aktion Hoffnung" ihre Kleiderspenden an Second-Hand-Shops verkauft, sei man jedoch auf gute Ware angewiesen.

Die Second-Hand-Shops werden mittlerweile aber von Privatpersonen selbst sehr gut befüllt - der Markt gewinnt zunehmend an Bedeutung. Da wäre zum Beispiel "Vinted": Die Online-Verkaufsplattform für Kleidung und Accessoires wurde 2008 in Litauen gegründet, schon ein Jahr später expandierte der Konzern unter dem Namen "Kleiderkreisel" nach Deutschland. Hinzu kam 2012 "Mamikreisel" speziell für Schwangerschafts- und Umstandsmode sowie Tochter-Plattformen in anderen Ländern. Mittlerweile ist Vinted eigenen Angaben zufolge in zwölf Ländern vertreten und besitzt eine stetig wachsende Community von derzeit 34 Millionen Mitgliedern.

Darüber hinaus haben den boomenden Second-Hand-Markt Modehändler und -ketten für sich entdeckt: So gingen etwa im vergangenen Jahr "Zalando" und "H&M" mit Second-Hand-Portalen in Deutschland online. Auch das ursprünglich auf Medienartikel ausgerichtete Ankauf-Portal "momox" nimmt mittlerweile gebrauchte Kleidung an und bietet diese zum Verkauf an. Bei so viel Konkurrenz scheint für die Container nur noch das an Kleidung übrig zu bleiben, womit sich bei den diversen Second-Hand-Portalen kein Geld mehr machen lässt: minderwertige oder unbrauchbare Stücke.

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SZ vom 26.01.2021
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