Süddeutsche Zeitung

Ebersberg trifft Berlin:Olaf Scholz und die Windkraft in Ebersberg

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Die SPD-Politiker Olaf Scholz und Magdalena Wagner stellen sich den Fragen eines erstaunlich jungen Publikums.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg/Berlin

Es ist der Abend der Zuschauer. Sie stellen bei dieser virtuellen Debatte die Fragen - und so ist es wenig überraschend, dass sich der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz um 18.37 Uhr aus dem Willy-Brand-Haus in Berlin zu einem lokalen Streitthema im Kreis Ebersberg äußert: "Für Windkraftanlagen brauchen wir etwa zwei Prozent der Landesfläche in Deutschland", sagt Scholz. Angeregt zu dieser Aussage hatte ihn Zuseher Gerhard Reger, ein Landwirt aus Erding, mit seiner Frage zu der Zukunft erneuerbarer Energien. Zwei Prozent würden im 549,3 Quadratkilometer großen Landkreis Ebersberg bedeuten: elf Quadratkilometer oder 1100 Hektar für Windräder. Die Quote für die fünf Anlagen im 9000 Hektar großen Ebersberger Forst ist deutlich geringer: 0,02 Prozent der Waldfläche.

Es ist kein politischer Talk, wie man sie sonst von vergleichbaren Veranstaltungen kennt. Gastgeberin Magdalena Wagner und ihr virtueller Gast Olaf Scholz halten keine Monologe, stattdessen stellen sich beide knapp 90 Minuten lang den Fragen ihres Publikums. Gut 100 Interessierte haben sich vom Laptop oder Handy aus über einen Streamingkanal oder Facebook zugeschaltet, um die Direktkandidatin der SPD für den Wahlkreis-Ebersberg Erding und ihren Spitzenkandidaten zu befragen. Auffällig dabei ist, wie viele junge Leute das Wort ergreifen. Ganz anders, als man es von parteipolitischen Abenden in den Wirtsstuben der Region gewohnt ist.

Der Abend zeigt, dass vor allem junge Leute die Klimaerwärmung umtreibt, ein globales, aber eben auch lokal spürbares Phänomen. Malou Spuhler, Anfang 20, aus der Region Weilheim-Schongau, etwa sagt: Als Teil des Ortsvereins von Fridays for Future stelle sie fest, "dass die wenigsten dort die SPD als Partei des Klimaschutzes sehen". Ihre Frage: "Wie können wir Klimaschutz zu einem sozialdemokratischen Thema machen?" Scholz' Antwort: Im Gegensatz zu anderen Parteien - eine Anspielung auf die Grünen - "sind wir nicht nur dafür, wir genehmigen auch mal was", so Scholz: Damit meine er etwa eine Hydrolyseanlage für Wasserstoff, ein Windrad, eine Solaranlage. Später - nun hatte Landwirt Reger seine Frage gestellt - erklärt Scholz, wie die Energiewende aus seiner Sicht gelingen soll: Er fordert die "Entbürokratisierung und Beschleunigung" von Genehmigungsverfahren - etwa bei Solarenergieprojekten von Privatleuten.

Seit Jahren ein großes Thema für nicht wenige im Großraum München ist die teils außer Kontrolle geratene Mietpreisentwicklung - auch das wird in der Fragerunde mit Scholz und Wagner deutlich. "Wie wollen Sie bezahlbaren Wohnraum in der Region schaffen?" - diese Frage stellt Ramona Rauchhaus, eine junge Frau aus dem Landkreis Ebersberg. Scholz verweist hier auf Erfolge beim Schaffen von Wohnungen als Ministerpräsident in Hamburg. So stelle er sich das für ganz Deutschland vor. "Man muss sich dann auch anlegen mit manchen Lobbyisten."

Die 29 Jahre alte Egmatingerin Magdalena Wagner hält sich weitestgehend zurück. Es entsteht eine Atmosphäre, in der sich auch einer der jüngsten Teilnehmer traut, das Wort zu ergreifen. Realschüler Benedikt Klingbeil aus Erding - nicht verwandt oder verschwägert mit dem etwas prominenteren Lars Klingbeil - erzählt, dass er heuer seinen Abschluss mache. Sein Eindruck: Diese Jahrgangsstufe komme trotz der Umstände einigermaßen gut zurecht. "Ich mache mir aber Sorgen, wenn ich mitbekomme, wie es um die Jahrgangsstufen unter uns aussieht", sagt er, ehe er eine interessante Frage folgen lässt: "Gäbe es die Option, dass wir auch nach der Coronakrise, ein, zwei Mal in der Woche Unterricht von daheim machen? Also quasi wie die Erwachsenen im Homeoffice?" Benedikt Klingbeils Vermutung: "Das könnte uns besser auf die Arbeitswelt vorbereiten." Der SPD-Kanzlerkandidat wirkt sichtlich beeindruckt - und nimmt die Wortmeldung als Steilvorlage: "Wir müssen die Schulen besser ans Netz anschließen", so Scholz. Dann seien flexiblere Unterrichtsformen auch nach der Krise denkbar.

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SZ vom 30.04.2021
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