Süddeutsche Zeitung

Mediationsprojekt im Landkreis:Wenn der Nachbar nicht mehr grüßt

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Manchmal hilft es bei eingefahrenen Konflikten, wenn sich eine neutrale Person mit an den Tisch setzt. Im Rahmen des Projekts "Klee" wurden acht Landkreisbürger zu Mediatoren ausgebildet.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Und plötzlich hätten die Geigen angefangen zu spielen, erzählt Ivonne Reimann. Alles sei harmonisch gewesen, wie im Film. Dabei hätte der Fall anfangs wie eine Sackgasse ausgesehen: ein Nachbarschaftsstreit, bei dem beide Parteien sich über die Lautstärke des anderen beschwerten. Reimann war hinzugerufen worden, um einen Weg aus der eingefahrenen Situation zu finden. Dabei wandte sie Mediation an, eine Vermittlungstechnik, die sich in fünf Phasen aufbaut.

"Was mich sehr beeindruckt hat: Es hat wirklich funktioniert", sagt die Kirchseeonerin. "Ich war so glücklich!" Zuerst hätten beide Parteien Zeit bekommen, den Konflikt aus ihrer Warte zu beschreiben. Meist würde dabei schon eine "Annäherung ohne Worte" stattfinden - durch ein überraschtes Stirnrunzeln etwa, wenn man das Problem zum ersten Mal aus der Perspektive des anderen anschaut. Daraufhin würde in die Tiefe gegangen, die Mediatorin stellt beiden Parteien Fragen wie: "Siehst du, wie dein Gegenüber sich fühlt?"

Oft helfe es, das Anliegen der beiden Konfliktparteien noch mal in eigenen Worten zu paraphrasieren, weiß Ivonne Reimann. Aber: "Von uns Mediatoren kommt keine Lösung!" Die müssen die Medianten selbst erarbeiten. Im Fall der Nachbarn war es eine ganz einfache: Sie tauschten Nummern aus. Die eine Partei, ein älterer, gebrechlicher Mann, hatte sich nämlich bisher nicht getraut, die jüngeren Nachbarn um Ruhe zu bitten. Über das Telefon, da waren sich beide Parteien einig, würde das zukünftig gut zu regeln sein.

Ivonne Reimann ist eine von acht Landkreisbürgern, die im Rahmen des Projekts Klee zur Mediatorin ausgebildet wurde. Klee steht für "Konflikte lösen im Landkreis Ebersberg" und ist ein Projekt, das seinen Ausgang in der Amtsstube vom Ebersberger Bürgermeister Ulrich Proske genommen hat. Dort hätten sich im Rahmen der Bürgersprechstunde die Fälle von Nachbarschaftsstreits gehäuft, erzählt Janika Gaßner. Sie arbeitet für das Katholische Kreisbildungswerk Ebersberg (KBW), das Bürgermeister Proske kontaktierte, um die Streitfälle kompetent weiterzuvermitteln.

"Wir haben den Ball aufgenommen und eine Ausbildung für Mediatoren konzipiert, die auf Ebersberg zugeschnitten ist", so Gaßner. Hilfe geholt habe man sich von der Katholischen Erwachsenenbildung Bayern, auch die Kommunen Ebersberg und Kirchseeon hätten sich finanziell daran beteiligt. Seit Mai 2023 nun gibt es Klee als niedrigschwelliges Angebot bei Konflikten wie etwa Nachbarschaftsstreits oder Problemen im ehrenamtlichen Kontext. Diese würden so lange begleitet, bis man zu einer gemeinsamen Lösung gefunden habe. "Was Klee nicht bietet, ist Hilfe bei Beziehungs- oder Ehestreitigkeiten", sagt Janika Gaßner.

Anders als bei Gerichtsverfahren gebe es keine Gewinner oder Verlierer. "Es ist ein freiwilliges Angebot", betont die KBW-Mitarbeiterin Gaßner. Wer sich nicht wohlfühle oder nicht mehr mitmachen wolle, könne jederzeit die Mediation abbrechen. Das jedoch passiere äußerst selten - eben weil die Konfliktparteien zusammen die Lösung erarbeiten. In einer Infoveranstaltung soll über die Arbeit von Klee aufgeklärt und geholfen werden, potenzielle Berührungsängste abzubauen.

Mediatorin Ivonne Reimann definiert den Sinn ihrer Arbeit so: "Ich finde es wichtig, dass wir mehr Frieden schon im kleinen Raum schaffen." Die Menschen sollten wissen, dass es immer eine Möglichkeit gebe, friedlich nebeneinander zu leben.

Die Infoveranstaltung "Klee - Konflikte lösen im Landkreis Ebersberg" findet am Dienstag, 20. Februar von 19 bis 21 Uhr im Sitzungssaal im Rathaus Kirchseeon, Rathausstraße 1 statt. Anmeldung erwünscht unter klee@kbw-ebersberg.de.

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