Süddeutsche Zeitung

Prozess am Landgericht München:"Schwere seelische Abartigkeit"

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Der Mann aus dem Landkreis Ebersberg, der mehrere Kastrationen und eine mit einer Todesfolge vorgenommen haben soll, hat in den 1990er-Jahren Leichen geschändet und davon Fotos und Videos angefertigt - mehrmals.

Von Johanna Feckl, München

Und nun auch noch Leichenschändung: Ein 67-jähriger Mann aus dem nördlichen Landkreis Ebersberg, der sich wegen schwerer und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Mordes durch Unterlassen aktuell vor dem Münchner Landgericht verantworten muss, hat sich seine Kenntnisse in Sachen Kastrationen und anderen operativen Eingriffen im Genital- und Analbereich wohl doch nicht nur durch Zusehen bei einer Hodenentnahme in einem Münchner Klinikum und Webseiten angeeignet. Am Freitag war im Prozess um den Elektriker, in dessen Obhut ein Mann nach einer von ihm durchgeführten Kastration gestorben sein soll, ein Kriminalhauptkommissar als Zeuge geladen, der den Angeklagten noch aus den 1990er-Jahren kennt - als Täter in verschiedenen Fällen von Störung der Totenruhe.

Der Angeklagte arbeitete bei einem Bestatter

Damals arbeitete der Angeklagte, wie auch zuletzt, unter anderem in einem Bestattungsunternehmen. Als in der Leichenhalle einer Klinik die Leiche eines 86-jährigen Mannes mit großflächig entfernten Geschlechtsorganen gefunden wurde, dauerte es nicht lange, bis die Polizeibeamten den heute 67-Jährigen als Täter ausfindig gemacht hatten. Bei ihm wurden Fotoapparate gefunden. Die Fotos darauf zeigten tote Männer und Frauen, Detailaufnahmen von Piercings an Brüsten und im Genitalbereich, die der Angeklagte vorgenommen hatte, sowie Gegenstände, die im Vaginalbereich eingeführt waren. Auf einem sichergestellten Video soll der Beschuldigte einen Apfel auf einem Stuhl platziert und ihn sich anschließend in den After eingeführt haben. "Er wollte ein Piercing-Studio eröffnen", schilderte der Kriminalhauptkommissar seine Erinnerungen an die damalige Begründung des Angeklagten, mit der er seine Taten erklärte.

Ein Piercing-Studio eröffnet hat der 67-Jährige nie, wie der Sachverständige Cornelis Stadtland später im Rahmen seines psychiatrischen Gutachtens vor Gericht betonte. Seiner Ansicht nach sei dieses Motiv ähnlich vorgeschoben wie die Behauptung des Angeklagten im vorliegenden Fall, die Kastrationen nur aus finanziellen und altruistischen Gründen durchgeführt zu haben. Von seinem vorläufigen Gutachten wich der Gutachter nun in zentralen Punkten ab, da die Angaben des Angeklagte ihm gegenüber in wesentlichen Punkten nicht mit den Aussagen der vielen Zeugen übereinstimmen.

Schuldunfähig ist der Angeklagte nicht

Bei dem Angeklagten läge eine multiple Störung der Sexualpräferenz vor, so das Urteil des Gutachters. Dafür spreche unter anderem seine sadistische und möglicherweise auch masochistische Verhaltensweise. Als Beispiel nannte Cornelis Stadtland ein Video, das an einem der vergangenen Verhandlungstage gezeigt wurde: Darin sah man, wie der Angeklagte eine stumpfe dicke Nadel in einen Penis einführte und dort zugange war. Zehn Minuten lang. Außerdem bezog sich der Psychiater auf die Aussage einer Zeugin, die Frau von einem der kastrierten Männer, mit der der Angeklagte einen Sklavenvertrag geschlossen haben soll. Die Frau, Anfang 30, hätte er mit schmutzigem Sexspielzeug penetriert - vor Gericht sagte die Zeugin aus, sie hätte sich vor dem 67-Jährigen geekelt. Zur Störung der Sexualpräferenz kommt noch eine schwere andere seelische Abartigkeit hinzu. Die Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit sah der Gutachter beim Angeklagten jedoch gegeben, sodass die Bedingungen für eine psychiatrische Haftunterbringung nicht gegeben sind. Ein Urteil in dem Fall wird im Dezember erwartet.

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