Süddeutsche Zeitung

Bunter Widerstand:Grafing lässt die AfD abblitzen

Lesezeit: 2 min

Eine Kundgebung auf dem Marktplatz findet kein Publikum, dafür aber reichlich Protest.

Von Anja Blum, Grafing

Man kann es eigentlich recht kurz machen: Die Gegendemonstranten sind eindeutig als Sieger vom Platz gegangen am Freitag in Grafing. Sie waren deutlich mehr - geschätzt Faktor zehn -, deutlich lauter und deutlich bunter als die Vertreter der eigentlichen Kundgebung.

"Heizen, Essen, Autofahren - Gängelung des Bürgers beenden!" Unter diesem Motto hatte die AfD auf den Marktplatz eingeladen. Auf dem Podium: der Europaparlamentarier Markus Buchheit aus Eichstätt, Gunnar Lindemann, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, und Rainer Forster aus Erding, Landtagskandidat der Ebersberger Kreis-AfD. Ersterer spinnt mit an einem Netzwerk der rechten Parteien in Europa, der Zweite gilt als Rechtsaußen, und Letzterer schrieb auf Facebook: "Da die ,Tante Moni' - also die Gruaberin - ihre Demo-Aktivitäten für beendet erklärt hat, muss wohl die Lücke im ,demokratischen Widerstand der Mitte der Gesellschaft' von uns ausgefüllt werden. Wir sehen uns in Grafing."

Früher war Forster in Erding Kreisrat für die ÖDP, 2018 wurde er ausgeschlossen wegen "Kumpanei" mit den Kollegen der AfD. Seitdem sitzt er für diese im Gremium. Zuvor schon hatte er seinen Job bei der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) verloren, nachdem er immer wieder neue Rechte und Verschwörungstheoretiker zu KAB-Veranstaltungen eingeladen hatte.

Am Freitagnachmittag in Grafing indes hat es die AfD schwer, sich Gehör zu verschaffen. Anne Gattinger, aktiv bei der Grünen Jugend, hatte eine Gegendemonstration angemeldet - als Privatperson, "denn es sollten sich alle politischen Organisationen angesprochen fühlen", erklärt sie. Und die sind zahlreich gefolgt.

Man sieht Vertreter von "Bunt statt Braun", Kreisjugendring und diversen Parteien, Geschäftsleute wie Künstler. Jung neben Alt, mit Kind und Hund: Es ist eine fröhliche Truppe, die sich da westlich des Marktplatzes am Urtelbach versammelt. Der Marktplatz nämlich ist AfD-Hoheitsgebiet - zumindest auf dem Papier.

Denn in der Realität mutet die Kundgebung lange sehr traurig an. Die Insel unter der Mariensäule ist, bis auf die offiziellen Vertreter der AfD, quasi leer. Da einer der drei Redner sich verspätet, und die anderen auf ihn warten, dauert es außerdem etwa eine halbe Stunde, bis an dem kleinen Stand überhaupt etwas passiert.

Währenddessen aber bringen sich die zuhauf angereisten politischen Gegner von der Antifa in Stellung. Rund um die Insel, teils sogar direkt neben dem AfD-Stand, machen sie Stimmung, skandieren und johlen, animieren die Vorbeifahrenden per Pappschild zum "Hupen gegen die AfD". Und so gehen deren Parolen größtenteils im Lärm unter.

Letztendlich bleibt die Kundgebung ohne Publikum. Zumindest ohne eines, das sich zur AfD bekennen würde. Nur vereinzelt hören Menschen vom Rand aus zu. Eine Frau filmt den ersten Redner, Kreis-Chef Christoph Birghan, und schüttelt dabei den Kopf. Über das Gesagte? Oder über die Störer? Wer weiß. Anne Gattinger jedenfalls, die den Widerstand angezettelt hat, strahlt am Ende übers ganze Gesicht.

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