Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Mitarbeiter der Kreisklinik: "Wir geben nicht auf"

Lesezeit: 3 min

Von Tag zu Tag hat das Krankenhaus mehr mit den Herausforderung durch die Corona-Pandemie zu kämpfen. Dabei gäbe es auch genug andere Dinge zu tun, etwa einen neuen Geburtenrekord bewältigen

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Wenn das Wörtchen "wenn" nicht wär, dann wäre die traditionell nicht gerade wohlhabende Ebersberger Kreisklinik zwar noch lange nicht Millionär, allerdings würde das Krankenhaus dem Jahreswechsel deutlich entspannter entgegenblicken. Denn gäbe es die Corona-Krise nicht, hätte Klinik-Geschäftsführer Stefan Huber in seiner Halbjahresbilanz fast durchweg Positives zu vermelden gehabt: Hohe Patientenzufriedenheit, ein neuer Geburtenrekord und die wachsende Mitarbeiterzahl hätten 2020 zu einem richtig guten Jahr werden lassen können. Nun gibt es jedoch das Wörtchen "wenn" - und mit ihm die weltweite Pandemie, die auch dem Ebersberger Krankenhaus von Tag zu Tag mehr Sorgen bereitet und alles andere in den Hintergrund rücken lässt.

Man habe vor einigen Tagen die Notbremse ziehen müssen, sagte deshalb nun Peter Kreissl, der ärztliche Direktor der Klinik, als er zusammen mit Geschäftsführer Huber im Ebersberger Kreistag die Bilanz der Einrichtung vorstellte. Kreissl meint damit, dass man alle nicht dringenden Eingriffe vorerst gestoppt habe, um mehr Personal für die Versorgung in den kritischen Bereichen zur Verfügung zu haben. Das umfasst die Intensivstation, die Notaufnahme und natürlich die Corona-Station. Die Lage sei deutlich angespannter als noch im Frühjahr, sagen Kreissl und Huber. Das lässt sich auch an konkreten Zahlen ablesen: Die Auslastung der Intensivstation hat im Dezember mit 87,5 Prozent ihren Jahres-Höchstwert erreicht. Der Anteil an Covid-positiven Patienten ist dabei in den vergangenen Monaten sprunghaft angestiegen, von 2,42 Prozent im August auf nunmehr 24,38 Prozent zum Jahresende.

Technisch sieht sich die Klinik für diese Herausforderung zwar gut gerüstet, es mangelt allerdings am Personal. Wie Kreissl nun erklärte, sei der Pflege-Aufwand bei Covid-Patienten etwa doppelt so hoch wie bei normalen stationären Patienten. Hinzu komme, dass man teilweise auch Fälle aus anderen Kliniken übernehmen müsse. So habe man erst kürzlich einige Patienten aus München in Ebersberg aufgenommen, die in der Landeshauptstadt nicht mehr versorgt werden konnten.

Für die eigenen Mitarbeiter ist der tägliche Umgang mit den Infizierten freilich nicht ungefährlich. Regelmäßig gebe es deshalb Testungen des Personals, diese werden gut angenommen, wie Kreissl sagte. Insgesamt seien seit Ende November bereits 754 Corona-Tests bei den knapp über 1000 Mitarbeitern vorgenommen worden, 18 davon fielen positiv aus. Eine 100-Prozent-Testquote sei dagegen nur schwer zu erreichen, da man das Personal nicht zu einem Abstrich verpflichten könne. Oberstes Gebot, so Kreissl, sei dennoch der Erhalt der Aufnahmefähigkeit der Klinik. "Aber es ist jeden Tag eine Gratwanderung."

Diese kennt Kreisrätin Marina Matjanovski (CSU) nur zu gut, ist sie doch selbst an der Ebersberger Klinik als leitende Krankenschwester beschäftigt. Die Pflegekräfte stünden im ständigen Spannungsfeld zwischen Pandemie und Fachkräftemangel, sagte sie nun in der Kreistagssitzung. Die Arbeit im Gesundheitswesen sei deshalb gerade in diesen Tagen eine "körperliche und geistige Herausforderung".

Um mit eben jenen Hürden fertig zu werden, steht die Ebersberger Klinik in stetigem Austausch mit den umliegenden Krankenhäusern, zu denen ein "gutes Verhältnis" bestehe, wie Peter Kreissl sagte. Diese Zusammenarbeit dürfte künftig aber etwas schwerer fallen, denn die Einrichtungen aus Rosenheim, Altötting, Agatharied und Weilheim-Schongau werden den Klinikverbund "Gesundheit Oberbayern" zum Jahresende verlassen. Dem Coronavirus deshalb geschlagen geben, will man sich in Ebersberg aber trotzdem keinesfalls, wie Kreissl sagte: "Wir geben nicht auf, sondern wir werden weiter kämpfen."

Nun ist die Pandemie allerdings nicht die einzige medizinische Baustelle, die die Mitarbeiter in der Kreisklinik auf Trab hält. Wie Stefan Huber sagte, steuere das Krankenhaus in diesem Jahr auf einen neuen Geburtenrekord zu. Zum Stand 11. Dezember habe man die Marke 700 geknackt und liege damit bereits 30 Geburten über dem bisherigen Rekordjahr 2018. Auch hier spielt Corona eine Rolle, wie Huber erklärte.

Da die benachbarte Klinik in Wasserburg aufgrund der derzeitigen Lage nur noch Notfallgeburten durchführe, würden viele Schwangere nach Ebersberg wechseln. Für den Klinikchef sind die steigenden Geburtenzahlen aber nicht unbedingt ein Nachteil, im Gegenteil: "Es ist eine sehr positive Entwicklung. Wir sind uns sicher, dass wir die Förderquote des Freistaates erreichen." Geld also, das die Klinik gut gebrauchen kann, schreibt sie doch seit Jahren rote Zahlen.

Diese spiegeln sich aber zumindest nicht in der Patientenversorgung wider. Einer vom Krankenhaus selbst durchgeführten Befragung zufolge, würden 93,2 Prozent der in der Klinik behandelten Menschen diese weiterempfehlen. Auch in einer unabhängigen Umfrage, der sogenannten Weißen Liste der Bertelsmann Stiftung, schneidet die Ebersberger Einrichtung gut ab. Hier würden 85 Prozent der Patienten das Krankenhaus empfehlen, der Durchschnitt der Kliniken aus dem Verbund liegt bei 81 Prozent.

Mit dem Status Quo will man sich in Ebersberg allerdings nicht zufrieden geben. Das lässt sich nicht zuletzt an den Mitarbeiterzahlen ablesen, die in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen sind. Insgesamt sind derzeit 1097 Beschäftigte an der Kreisklinik angestellt, was einem Wachstum von 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

"Den Blick nach vorne richten", wie Geschäftsführer Huber sagte, wolle man auch noch in einem anderen Bereich. Und zwar in Sachen Klimaschutz, den man an der Klinik konsequent vorantreibt. So soll neben der bereits abgeschlossenen Gebäudesanierung ein eigener Klimaschutzmanager dafür sorgen, dass das Krankenhaus zukunftsgerecht aufgestellt ist.

Von den derzeitigen Energiekosten von jährlich rund 1,47 Millionen Euro wolle man Huber zufolge 20 Prozent einsparen. Das soll durch die Umsetzung vielfältiger Klimaschutzkonzepte und durch eine kontinuierliche Betriebsoptimierung geschehen. "Noch ist nicht alles getan", sagte Stefan Huber deshalb nun im Kreistag - eine Aussage, die sich in diesen Tagen wohl nicht nur auf den Klimaschutz beziehen dürfte.

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Quelle:
SZ vom 17.12.2020
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