Süddeutsche Zeitung

Sport und Freizeit:Fitnessstudios geht die Puste aus

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Eigentlich klingeln nach Neujahr in den Muckibuden verlässlich die Kassen. Doch es herrscht Pandemie-Frust statt Trainings-Lust. Ein Ebersberger Studioleiter gibt einen Einblick in seine Branche.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Der Jahreswechsel ist seit jeher die Zeit der guten Vorsätze. Einer der beliebtesten war bislang immer, den überschüssigen Weihnachtskilos den Kampf anzusagen und sich bis zur sommerlichen Badesaison wieder einen passablen Körperbau zu erarbeiten. Entsprechend klingelten in den Fitnessstudios zu Jahresbeginn zuverlässig die Kassen - bis Corona kam. Inzwischen stehen die Muckibuden vor ihrem dritten Pandemie-Jahr, und langsam aber sicher geht selbst dem durchtrainiertesten Studiobetreiber die Puste aus. Das bekommen auch Fitnessstudios im Landkreis Ebersberg zu spüren.

"Alles, was man sich zehn Jahre lang aufgebaut hat, war innerhalb von kurzer Zeit weg", sagt Eduard Dirksen, Leiter des Fit for Friends Studios in Ebersberg. Die Lage sei bereits seit längerem kritisch, so richtig hart erwischt habe es das Studio aber während der siebenmonatigen Komplettschließung im Jahr 2020. Damals habe man 30 Prozent der Mitglieder verloren, so Dirksen. Ob man diese je wieder zurückgewinnen kann, ist unklar. "Der Andrang ist auch in diesem Jahr nicht so da und die Neuanmeldungen sind ausgeblieben." Vor Corona wäre zu dieser Jahreszeit das glatte Gegenteil der Fall gewesen.

Der Branchenverband schlägt Alarm

Beim Deutschen Industrieverband für Fitness und Gesundheit (DIFG) vermutet man noch einen anderen Grund dafür, warum auch diese Saison wieder so schleppend anläuft. "2G-plus-Vorschriften haben signifikante Auswirkungen auf die Neuanmeldungen", sagt DIFG-Vorsitzender Ralph Scholz. Vielen Menschen sei es schlicht zu aufwendig, zusätzlich zu einem Impf- oder Genesenennachweis einen aktuellen Test vorzulegen. Genau das müssen selbst doppelt Geimpfte seit Ende November aber tun. Nur wer bereits dreimal geimpft ist, darf seit Mitte Dezember wieder ohne Einschränkungen in die Studios. "Dort wo die Regel eingeführt wurde, ist das Neugeschäft fast komplett weggebrochen", sagt Scholz.

Eine Einschätzung, die der Ebersberger Studioleiter Eduard Dirksen nur zum Teil bestätigen kann. "2G plus haben wir zwar schon gemerkt. Natürlich waren die Leute nicht begeistert, sich noch zusätzlich testen zu müssen." Seitdem Geboosterte aber wieder ohne Beschränkungen zum Training dürfen, spiele die Neuregelung kaum mehr eine Rolle. Und für alle, die sich den dritten Corona-Piks bisher noch nicht abgeholt haben, bietet das Ebersberger Fitnessstudio ohnehin Schnelltests vor Ort an. Für Dirksen steht deshalb fest: "Der Hauptgrund für die Kündigungen sind nicht die Tests, sondern Corona im Allgemeinen."

Die Pandemie nämlich hat nicht nur Auswirkungen auf die Mitgliederzahlen der Studios, sondern auch auf deren Mitarbeiter. Ähnlich wie in der Gastronomie hätten sich viele von ihnen nach einem anderen Job umgeschaut, wie Dirksen erzählt. "Es gab einige, die die Branche gewechselt haben." In Ebersberg hielt sich der Abgang allerdings in Grenzen, lediglich zwei 450-Euro-Kräfte habe man verloren, so der Studioleiter. Das lag vor allem daran, dass das Fit for Friends Studio auch während der Komplettschließung zunächst weiterhin Beiträge erhoben hat. "Wir mussten ja unsere laufenden Kosten für Personal und Miete decken", sagt Dirksen. Nun können sich die Mitglieder für die verpasste Zeit Gutscheine ausstellen lassen.

Alles ist besser, als wieder komplett zusperren zu müssen

Für das Studio ist das aber allenfalls eine Notlösung, mit der man versuche, die missliche Lage etwas zu entzerren, wie Dirksen sagt. Denn klar ist: "Das kommt langfristig als Schaden noch hinzu." Der Studioleiter rechnet damit, dass etwa 30 bis 40 Prozent der Mitglieder nun durch die Gutscheinregelung ein Jahr lang gar keine Beiträge bezahlen werden, und das Studio entsprechend deutlich weniger Einnahmen hat. Dennoch sei alles besser als eine erneute Komplettschließung.

Beim Branchenverband DIFG rechnet man unterdessen damit, dass das erste Quartal durch die Omikron-Variante heuer mindestens so schlimm werden wird wie vergangenes Jahr. Damals waren die Fitnessstudios zwar komplett dicht, nun aber müssten die Betreiber die vollen Kosten bei deutlich geringerer Auslastung stemmen. "Betreiber haben wieder Existenzsorgen", sagt dazu DIFG-Vorsitzender Ralph Scholz. Ganz so pessimistisch will das Eduard Dirksen nicht sehen. Er sei trotz allem recht zuversichtlich für dieses Jahr. "Wir hoffen, dass es besser wird."

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