Süddeutsche Zeitung

Finanzen:Kann man trotz Krise sinnvoll investieren?

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Die aktuelle Wirtschaftslage verunsichert viele Bankkunden, einige lösen sogar ihre Sparpläne auf. Banker aus dem Landkreis Ebersberg raten dagegen zur Ruhe - und geben Tipps, wie man aus der Situation Profit ziehen kann.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Die Preise in allen Lebensbereichen steigen seit Monaten an, die Löhne dagegen verharren in den meisten Branchen auf Vorkrisenniveau. Bleibt den Menschen da überhaupt noch Geld zum Sparen übrig? Und wie können Anleger aus der unsicheren Wirtschaftslage vielleicht sogar Profit ziehen? Banker und Vorstände der Kreditinstitute im Landkreis Ebersberg geben Antworten.

Wer dieser Tage in einen Supermarkt geht, kennt das Dilemma: Die gleichen Produkte im Einkaufswagen sind spätestens seit Kriegsausbruch in der Ukraine und den daraus resultierenden Problemen in den weltweiten Lieferketten deutlich teurer geworden, als sie es noch vor einem Jahr waren. Und der große Brocken steht den Menschen in Herbst und Winter mit den zu erwartenden Erhöhungen der Heiz- und Energiekosten ohnehin erst noch bevor. Diese Gemengelage sorgt auch bei den Bankkunden im Landkreis für Verunsicherung. "Wir beobachten, dass die Leute vorsichtiger agieren und mehr auf Sicht fahren", sagt etwa Bernhard Failer, Vorstand der Raiffeisen-Volksbank Ebersberg.

Die Sorge vor der teuren Heizkostenabrechnung treibt viele Bankkunden um

Das zeige sich vor allem bei Investmentfonds und beim Versicherungssparen, wie auch Günter Fichtner, Leiter des Private Banking bei der Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg, bestätigt: "Viele Kunden lösen ihre Fondssparpläne auf oder setzen die Monatsraten aus und müssen auch auf Erspartes zurückgreifen." Die deutlich gestiegen Lebenshaltungskosten und die Sorge um die nächste Strom- beziehungsweise Heizkostenabrechnung würden zu dieser Entwicklung entscheidend beitragen. "Auch die geopolitische Lage verunsichert unsere Sparer", so Fichtner.

Ähnliches weiß auch Johannes Wutz, Mitglied des Vorstands bei der Alxing-Brucker Genossenschaftsbank zu berichten. Es würden zwar jetzt nicht reihenweise Konten leergeräumt werden, bei neuen Investmentfonds agierten die Leute inzwischen aber deutlich zurückhaltender. "Laufende Investments werden zwar oft weitergeführt, wir haben aber viel weniger Neuabschlüsse", so Wutz, der eine klare Veränderung bei der Anlagestrategie seiner Kunden beobachtet: Früher habe man immer gesagt, man solle das Geld nicht einfach so herumliegen lassen. Inzwischen würden die Leute aber doch eher dazu übergehen, einfach erstmal nichts mit ihrem Ersparten zu machen.

Sparen auf dem Girokonto ist wegen der Nullzinsen kaum sinnvoll

Ähnlich gehen auch Kunden der Raiffeisenbank vor, wie Bernhard Failer beobachtet. Das Kreditinstitut erhebe seit kurzem kein Verwahrentgelt mehr auf das Girokonto. "Man kann das Geld also wieder auf dem Konto lassen, ohne dass einem etwas abgezogen wird", erklärt Failer. Wirklich sparen könne man vor dem Hintergrund der Nullzinsen dadurch allerdings auch nicht, wie Branchenkollege Johannes Wutz aus Bruck ergänzt.

Doch gibt es überhaupt eine Möglichkeit, sein Geld trotz der allgemeinen Wirtschaftslage gewinnbringend anzulegen? Durchaus, sagt Sparkassen-Banker Günter Fichtner: "Krisen gab es in der Vergangenheit auch. Wer jetzt Geld anlegen kann und möchte, sollte das tun und dabei seine Risikofähigkeit, Risikobereitschaft und den Anlagehorizont berücksichtigen." Gerade Investitionen, die auf einen längeren Zeitraum ausgelegt sind, könnten sich demnach in der aktuellen Situation auszahlen, wie Fichtner erklärt. Unsichere Wirtschaftslagen mit Rezessionstendenzen und damit verbundene Schwächephasen an den Aktienmärkten habe es schon häufig gegeben. "Sie waren jedoch in der Regel temporärer Natur", sagt der Bankberater. "Ein Blick in den Rückspiegel zeigt, dass sich Investitionen in breit gestreute globale Aktienfonds gerade in Krisenzeiten wie diesen langfristig meist gelohnt haben", so Fichtner, der auf die zu erwartenden Aufwärtsbewegungen am Aktienmarkt verweist.

Panikverkäufe von Wertpapieren sollten unbedingt vermieden werden

So unsicher die Zeiten auch sein mögen, so sehr appellieren die Banker an ihre Kunden, jetzt nicht die Nerven zu verlieren. Wer bereits Geld angelegt habe und dieses nicht für Investitionen benötige, solle Ruhe bewahren, heißt es etwa von der Sparkasse. Kundenberater Günter Fichtner ergänzt: "Panikverkäufe von Wertpapieranlagen und das Auflösen von langfristig ausgerichteten Sparplänen sollten unbedingt vermieden werden."

Gleichwohl ist den Vertretern der Ebersberger Kreditinstitute auch bewusst, dass bei einigen Menschen das Geld dieser Tage einfach knapp wird. Und die Situation könnte sich in den kommenden Monaten noch deutlich verschärfen, wie Raiffeisen-Chef Bernhard Failer befürchtet. Seiner Meinung nach ist die wachsende Vorsicht der Kunden eher der allgemeinen Wirtschaftslage und noch nicht direkt der Inflation geschuldet. Zumindest steige die Zahl der Dispositionskredite, also Überziehungskredite für das Girokonto, derzeit noch nicht. Das könne sich im Herbst und Winter aber ändern, so Failer. Die Heiznebenkosten würden erst noch abgerechnet und auch bei der Strompreisanpassung seien hohe Steigerungen zu erwarten. "Dann werden wir die Auswirkungen noch deutlich mehr spüren."

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