Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Ebersberg:"Verkehrsminister" auf der Anklagebank

Lesezeit: 3 min

Ein scheinbar ehemaliges Mitglied der sogenannten Reichsbürger-Szene muss sich in Ebersberg vor Gericht verantworten. Dort wird deutlich, dass der 62-Jährige offenbar noch immer mit dem Gedankengut der fiktiven Regierung sympathisiert.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Dem Titel nach hohe Polit-Prominenz musste sich am Dienstag vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten: Angeklagt war niemand geringeres als ein ehemaliger Verkehrsminister. Dieser jedoch übte sein Amt im "Bundesstaat Bayern" aus, eine dem Reichsbürger-Milieu nahen Scheinregierung. Weil er sich nicht nur die vermeintlichen Ausweisdokumente dieser Organisation besorgt hatte, sondern auch aktiv an deren Erstellung mitgewirkt haben soll, war der 62-jährige Nürnberger wegen Urkundenfälschung und Amtsanmaßung angeklagt. Damit aber nicht genug, denn bei einer Hausdurchsuchung des Mannes im Frühjahr 2017 fand die Polizei gleich eine ganze Reihe an Schusswaffen. Für die meisten davon hatte der Angeklagte zwar die notwendige Erlaubnis, ein alter Revolver, ein Springmesser und die als "Würgeholz" bekannten Nunchakus waren jedoch illegal in seinem Besitz.

Auf den Mann aufmerksam geworden waren die Behörden 2016 im Rahmen von Ermittlungen gegen die Szene bei einer größeren Razzia im nördlichen Landkreis Ebersberg. Dabei haben die Polizisten auch Hinweise auf den Nürnberger gefunden, der innerhalb der Organisation als "Verkehrsminister" durchaus eine Führungsrolle inne hatte. Kurios ist, dass der Angeklagte im echten Leben tatsächlich als Kfz-Sachverständiger arbeitet. Seine Position innerhalb des fiktiven "Bundesstaats Bayern" stritt der Mann vor Gericht auch gar nicht erst ab. Auch dass er sich die in der Szene üblichen Dokumente wie Heimatschein, Staatsangehörigkeitsausweis und Führerschein besorgte hatte, räumte der Mann ein.

Seine fiktiven Dokumente schickte der Mann an diverse Behörden - unter anderem die Polizei

Diese Unterlagen hat er dann bei einer Vielzahl an Behörden eingereicht, angeblich um herauszufinden, ob diese von offizieller Seite akzeptiert werden, wie er nun vor Gericht aussagte. Eine Antwort habe er aber von keiner dieser Stellen bekommen. "Ich bin davon ausgegangen, wenn es kein negatives Feedback gibt, dann wird das stillschweigend akzeptiert." Er sei jedenfalls nicht davon ausgegangen, dass er eine Straftat begehe. Ebenso unschuldig gab sich der Mann, was die Waffen bei sich zu Hause anging. Von dem Springmesser habe er gar nichts mehr gewusst und die Nunchakus stammten noch aus der Zeit, als er aktiv Taekwondo betrieben habe. Den Revolver dagegen wollte der 62-Jährige noch nie zuvor gesehen haben. Es habe vor einigen Jahren einen Wasserschaden in seiner Garage gegeben, woraufhin er das Tor offen halten musste. Vielleicht habe ihm bei der Gelegenheit jemand den Revolver hineingelegt.

Zu den Waffen konnte der ermittelnde Beamte der Kripo Erding zwar vor Gericht nichts sagen, weil dafür die Nürnberger Polizei zuständig ist, wohl aber zur Mitgliedschaft des Mannes in der sogenannten Reichsbürger-Szene. Es gebe eine Urkunde, die den Mann als vermeintlichen "Verkehrsminister" ausweise, selbst habe der Angeklagte aber wohl keine Dokumente ausgestellt. Auch habe er ihm gegenüber versichert, dass er sich inzwischen von der Bewegung distanziere - ein Eindruck, den der Angeklagte zunächst auch vor Gericht vermittelte. "Ich weiß, dass es den Bundesstaat Bayern innerhalb der BRD nicht gibt", sagte der Mann. Genau deshalb habe er aber auch keine Urkundenfälschung begangen, denn Urkunden, die es gar nicht gebe, könne man schließlich auch nicht fälschen.

Beim "letzten Wort" des Angeklagten wird es plötzlich kurios

Allerdings bestätigten mehrere Gutachter, dass die Dokumente täuschend echt aussahen. "Beim durchschnittlichen Betrachter kann eine große Verwechslungsgefahr bestehen", hieß es etwa in einem Schreiben des Haus der Bayerischen Geschichte über die auf den Dokumenten verwendeten Wappen. Nicht zuletzt deshalb unterstellte der Staatsanwalt der Organisation in seinem Plädoyer eine "hohe kriminelle Energie" und ein "professionelles Vorgehen". Zu dem Zeitpunkt ging auch der Anklagevertreter noch davon aus, dass der Mann inzwischen zur Vernunft gekommen war - eine Einschätzung, die der Angeklagte selbst kurz darauf widerlegte.

Dieser nämlich nutze das "letzte Wort" vor Gericht dazu, sich an eine Gruppe von Berufsschülern zu wenden, die den Prozess auf den Zuschauerplätzen verfolgte. Es gebe sehr wohl einen Staatsangehörigkeitsausweis, den sogenannten "gelben Schein" nämlich, erklärte der 62-Jährige. Dieser aber werde nur an bestimmte Berufsgruppen wie Politiker, Ärzte und Juristen verteilt. "Ihr seid im Grunde genommen also alle staatenlos", so der Angeklagte in Richtung der verdutzten Schüler. Dem jedoch hielt der Staatsanwalt entgegen, der einzige gelbe Schein, den er besitze, sei sein Impfausweis.

Und auch Richterin Vera Hörauf wusste spätestens durch diese Ausführungen, woran sie beim Angeklagten war. "Das ist Reichsbürgertum in reinster Form", sagte die Vorsitzende. Es sei wirklich hanebüchen, was man hier vor Gericht manchmal zu hören bekomme. Eine mögliche Distanzierung zu der Szene könne sie jedenfalls beim Angeklagten nicht erkennen - und auch im Fall der illegalen Waffen befand Hörauf den Mann für schuldig. Sie verurteilte ihn deshalb zu einer Geldstrafe über 9100 Euro. Den Schülern gab sie zwischen den Zeilen noch mit auf den Weg, nichts auf das Gerede des Angeklagten zu geben. Wie der Staatsanwalt auch, besitze sie ebenfalls keinen solchen "gelben Schein".

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