Süddeutsche Zeitung

Erfolgsfilm aus Bayern:"Stopp, das geht total gegen das Auer-Universum!"

Lesezeit: 3 min

"Die Schule der magischen Tiere" war der erfolgreichste deutsche Film 2021. Nun kommt die Fortsetzung in die Kinos. Produzentin Alexandra Kordes wollte dem Original möglichst treu bleiben - trotzdem sei sie "voll ins Risiko gegangen".

Von Barbara Hordych

Heute steht Margit Auers Kinderbuchreihe "Die Schule der magischen Tiere" auf der Bestsellerliste, mit inzwischen 13 Bänden. Aber als die Filmproduzentinnen Meike und Alexandra Kordes sich vor gut neun Jahren entschieden, die Option auf die Filmrechte zu erwerben, war gerade mal der erste Band auf dem Markt. "Und von dem waren nicht mehr als 30 000 Exemplare verkauft, an eine komplette Buchreihe war noch gar nicht zu denken", erinnert sich Alexandra Kordes bei einem Treffen im Bayerischen Hof an die ersten Schritte der dazugehörigen Verfilmungen. Der zweite Teil startete kürzlich in den Kinos.

Wie haben sie und ihre Schwester das Buch entdeckt? "Das passierte auf einer Reise ins Rheinland, meine Schwester Meike fuhr im Zug, ich im Auto. Plötzlich rief mich Meike aus dem Zug an: Bei ihr im Abteil habe gerade ein Vater seiner Tochter ein Buch vorgelesen, über Tiere, die sprechen könnten. Das sei so bezaubernd, ein toller Stoff, den die Kinder bestimmt lieben würden. Da müssten wir uns unbedingt die Rechte sichern."

Sie sollte Recht behalten. Doch beim ersten Treffen mit der in Oberbayern lebenden Autorin und Vertretern des Carlsen-Verlages mussten die Kordes-Schwestern zunächst über die Bedingungen sprechen, die filmisches Erzählen mit sich bringt. Denn eigentlich sei es in der von ihr erdachten Wintersteinschule irgendwo in Deutschland so, dass über die neue Lehrerin Miss Cornfield und ihren Bruder Mortimer, Besitzer einer Zoohandlung für magische Tiere, jedes Kind ihrer Klasse einen besonderen Begleiter bekäme - einen besten tierischen Freund, Spiegel und Animus. Ida, die Neue in der Klasse, erhält einen Fuchs. Ihr ungeschickter Klassenkamerad Benni eine Schildkröte. "Das Tier kann sprechen. Aber hören kann es nur sein jeweiliger Mensch", erklärt Kordes.

Wie aber sollte auf der Leinwand ein Vierergespräch gezeigt werden? "Wenn Ida und ihr Fuchs, Benni und seine Schildkröte miteinander sprechen: Dann müsste ja der eine immer dem anderen etwas zuflüstern, was dieser wiederum übersetzen muss. Das dauert viel zu lange, Film ist ein visuelles Medium, das würde die Zuschauer langweilen".

"Über die Gesetzmäßigkeiten des Filmemachens, aber auch über unsere Idee einer Verfilmung ihrer Bücher haben wir offen mit Margit diskutiert - und sie hat uns dann ihr Vertrauen ausgesprochen", so Kordes. Und filmische Umsetzung kenne auch Grenzen, denn zugleich habe man sich immer dem Original verpflichtet gefühlt: "Stopp, das geht total gegen das Auer-Universum!", sei ein geflügeltes Wort unter ihnen, sagt Kordes und schmunzelt. Die Drehbücher entstanden (und entstehen, denn ein dritter Teil ist bereits in Arbeit) in enger Abstimmung zwischen den Schwestern und der Autorin.

Kommen Erwachsene ins Spiel, werden die magischen Begleiter zu Stofftieren

Fans des Auer-Universums kennen den grundlegenden Unterschied zwischen Original-Buch und Kinofilm. Die Tiere - in Teil zwei kommen ein Chamäleon für die überangepasste Anna Lena und ein pseudocooler Pinguin für den Mädchenschwarm Jo hinzu - reden munter mit den Menschen durcheinander. Alle aus der Klasse können sie verstehen - nicht nur das "eigene" Kind. Nur wenn ahnungslose Außenstehende, Erwachsene wie etwa der Schulleiter oder vereinzelt auftauchende Eltern die Szene betreten, verwandeln sich die magischen Begleiter schlagartig in Stofftiere und verstummen.

Wobei diese Verwandlung einfach ist im Gegensatz zu dem aufwendigen Prozess, sie zum Leben zu erwecken. Dafür seien sie als Produzentinnen "voll ins Risiko gegangen", sagt Kordes. "Wenn Sie sich vorstellen, dass ein Animateur eine Woche Arbeitszeit benötigt, um ein Tier für sechs Spielsekunden zu gestalten, und sich überlegen, wie oft ein Tier zu sehen ist in den beiden Filmen, dann können Sie sicher nachvollziehen, wie viel Geld uns die 3-D-Animation gekostet hat, für die das Studio 40 Leute aus aller Welt beschäftigt hat", sagt Kordes.

Sie und ihre Schwester stammen aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Arnsberg im Sauerland. Studiert haben sie beide an der Filmhochschule Babelsberg, Alexandra Kamera, Meike Produktion. Im Anschluss, 2003, gründeten sie ihre Filmproduktion Kordes & Kordes Film, mit der sie Arthouse-Filme wie das Drama "4 Minuten" von Chris Kraus realisierten, was ihnen nationale und internationale Anerkennung brachte. Oder die ARD-Komödie "Familie Lotzmann auf den Barrikaden" unter der Regie von Axel Ranisch, für die sie den Grimme-Preis erhielten.

Insgesamt haben sie inzwischen 170 Auszeichnungen sammeln können. Die jüngste ist der Deutsche Filmpreis 2022 für "Die Schule der magischen Tiere, Teil 1". Mit 1,5 Millionen Zuschauern ist er im Jahr 2021 der besucherstärkste deutsche Film - erstmals gewann überhaupt ein Kinderfilm in dieser Kategorie.

Eine Niederlassung ihrer Firma gründeten sie dazu in München. "Ich fühle mich inzwischen als halbe Münchnerin", sagt Kordes. Auch wegen ihres Einsatzes als Betreuerin für die Münchner Drehbuchwerkstatt, seit 13 Jahren. "Das ist wirklich die tollste Ausbildung, die man als Drehbuchautor oder Autorin bekommen kann. Überdurchschnittlich viele der dort entwickelten Bücher werden auch tatsächlich verfilmt, und viele der Autoren und Autorinnen schaffen es, sich in der Branche zu etablieren", sagt Kordes.

Zehn Stipendiaten würden jedes Jahr aufgenommen aus den unterschiedlichsten Berufen und Altersstufen, die dann über Monate hinweg ihre Stoffe entwickeln, im Austausch mit ihren Mentoren und Mentorinnen. "Der Betreuungsschlüssel liegt hier bei Eins zu Eins". Das klingt ein wenig wie die magischen Verhältnisse in der Wintersteinschule: für jeden Schüler ein hilfsbereiter Begleiter.

Die Schule der magischen Tiere - Teil 2, D 2022, Regie: Sven Unterwaldt, läuft in vielen Kinos

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5666897
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.