Süddeutsche Zeitung

Nach Unfall:An diesem Bahnübergang hat es schon dreimal gekracht

Lesezeit: 3 min

Nachdem eine S-Bahn ein Auto an einem unbeschrankten Gleisübergang bei Indersdorf gerammt hat, will die Gemeinde die Stelle entschärfen.

Von Thomas Radlmaier, Markt Indersdorf

Als vor ein paar Wochen eine S-Bahn an einem unbeschrankten Gleisübergang in Ried bei Markt Indersdorf in ein Auto rauscht, ist Josef Götz einer der ersten Helfer am Unfallort. Der Biolandwirt bewirtschaftet seinen Hof in unmittelbarer Nähe. Götz eilt zu den Schienen, er sieht das Wrack, aus dem die Feuerwehr wenig später eine 62-Jährige schwer verletzt bergen wird. Die Frau hatte die S-Bahn offenbar nicht gesehen. "Da bist du geschockt", sagt Götz heute. Der dritte Unfall innerhalb weniger Jahre sei das an der Stelle gewesen. "Was muss da noch passieren, bis endlich etwas geschieht", fragt er und sagt: "Ich mache mir das jetzt zur Lebensaufgabe, dass da eine Schranke hinkommt."

Götz hat sich Hilfe von der Politik geholt. Er hat den Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath und den Markt Indersdorfer Bürgermeister Franz Obesser (beide CSU) angeschrieben. Nun hat der Marktgemeinderat die Initiative ergriffen, um den Bahnübergang an der Verbindungsstraße zwischen Frauenhofen und Ried zu beschranken, damit künftig Unfälle ausbleiben. Am Mittwoch hat das Gremium einstimmig eine entsprechende Machbarkeitsstudie auf den Weg gebracht. Man will wissen, ob eine technische Sicherung möglich ist und wie viel das kosten würde. Die Rede ist von mehreren hunderttausend Euro, die sich die Gemeinde, die Bahn und der Staat teilen würden. Vor allem aber will man in Markt Indersdorf mit der Machbarkeitsstudie ein Zeichen setzen, dass es so nicht weitergehen kann: "Es tut Not, dass endlich etwas passiert", sagt Bürgermeister Obesser.

Die Bahn will grundsätzlich weniger Gleisübergänge

Auch die Deutsche Bahn hat Handlungsbedarf in Folge des Unfalls vor wenigen Wochen erkannt. Ein Sprecher sagt: "Im aktuellen Fall sind wir mit Markt Indersdorf und dem Bund, vertreten durch das Eisenbahn-Bundesamt, im Gespräch." Grundsätzlich habe man das Ziel, die Anzahl der Bahnübergängen zu reduzieren. Auf der Strecke nach Petershausen etwa gebe es keine Übergänge mehr.

Zwar ist die Straße bei Ried eher wenig befahren, hauptsächlich ist dort landwirtschaftliches Gefährt unterwegs. Dennoch hat es an dem Gleisübergang schon dreimal gekracht: 2008 rammte ein Zug mit 70 Kilometer pro Stunde den Traktor eines 21-jährigen Landwirts, der glücklicherweise nur ein Schleudertrauma erlitt. 2013 ereignete sich ein spektakulärer Unfall. Eine Bahn stieß mit einem Bulldog zusammen, der ein Güllefass hinter sich herzog. Der Anhänger flog durch die Luft und zerschellte auf einem Feld. Die Folge: Sachschaden in Höhe von mehr als 200 000 Euro. Der Lokführer, drei Fahrgäste und der 18-jährige Traktorfahrer kamen mit leichten Verletzungen davon. Und nun, Ende August, kollidierte eine S-Bahn mit einem Pkw.

In Dachau stirbt eine Radfahrerin an einem unbeschrankten Bahnübergang

"Gott sei Dank sind alle Unfälle glimpflich verlaufen", sagt Obesser und meint damit, dass bisher zum Glück niemand gestorben ist. Denn auch solche tragischen Fälle kennt man im Landkreis: Fast genau vor einem Jahr erfasste eine S-Bahn eine 78-jährige Radfahrerin am Dachauer Stadtbahnhof. Die Frau wollte die Gleise an einem unbeschrankten Übergang überqueren. Sie würde tödlich verletzt.

Ein unbeschrankter Bahnübergang ist auch in Ried zulässig. Dieser wurde im Zuge der Elektrifizierung der Strecke in den Jahren 2013 und 2014 umgestaltet. Damals hat man wegen der geringen Verkehrsbelastung am Bahnübergang auf Schranken oder Blinklichter verzichtet. Andreaskreuze und weitere Verkehrsschilder weisen auf den Gleisübergang hin. Zudem ist die Stelle eigentlich gut einsehbar. Fährt eine S-Bahn vorbei, warnt der Lokführer andere Verkerhsteilnehmer mit der Hupe. Der Bahnsprecher weist daraufhin, dass Straßenbaulastträger (hier Markt Indersdorf), Bahn und Bund gemeinsam darüber entscheiden, wie ein Bahnübergang zu sichern sei. DB-Mitarbeiter würden die Stelle regelmäßig begutachten.

Viele Verkehrsteilnehmer wissen nicht, was ein Andreaskreuz bedeutet

Nach Angaben der Deutschen Bahn gibt es bayernweit 3100 Gleisübergänge, wovon die Hälfte wie bei Markt Indersdorf technisch ungesichert ist. Im Jahr 2016 ereigneten sich auf diesen 35 Unfälle. Dabei hätten laut Bahn die Kollisionen an den Kreuzungen von Straße und Schiene in mehr als 90 Prozent der Fälle durch richtiges Verhalten der Fahrzeuglenker und Fußgänger vermieden werden können. "Vielen Verkehrsteilnehmern ist die Bedeutung des Andreaskreuzes und der Sicherungsanlagen nicht richtig bekannt", heißt es von Seiten der Bahn.

Für Josef Götz reichen Verkehrsschilder nicht aus, um die Sicherheit am Bahnübergang in Ried zu gewährleisten. Er überquert die Schienen täglich an der Stelle. Er sagt, auf der Strecke seien inzwischen mehr Züge unterwegs als noch vor einigen Jahren, weil sich der Takt erhöht habe. Damit steige sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Unfällen komme. Im Zuge des jüngsten Unfalls hätten ihm einige Leute von brenzlichen Situationen berichtet. Götz erzählt, wenn Nebel über den Feldern liege, sehe man keine 20 Meter weit. Er kurble dann das Fenster runter, um zu hören, ob eine S-Bahn komme. "Das ist wie russisch Roulette."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4138857
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.09.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.