Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft:Ärger um hohe Nitratbelastung

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Viele Landwirte vor allem entlang der nördlichen Landkreisgrenze fürchten um Ertragseinbußen, denn sie dürfen zum Schutz des Grundwassers künftig nicht mehr so viel düngen. Gemeinsam wollen sie sich dagegen wehren

Von Thomas Altvater, Altomünster

Die Rechtecke, die Josef Riedlberger stören, sind klein und rot. Doch nicht nur ihn, den Nebenerwerbslandwirt aus Altomünster, auch viele seiner viele Kollegen würden diese kleinen Kästchen "auf die Palme bringen", wie er es am Telefon formuliert. Zu finden sind die kleinen roten Rechtecke im Internet, nach wenigen Klicks ploppen sie in einer interaktiven Karte des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums auf und ziehen sich entlang der nördlichen Landkreisgrenze, über Altomünster und Hilgertshausen-Tandern, in die Nachbarlandkreise Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen. Jedes Rechteck markiert einen Acker, auch einige von Josef Riedlbergers Feldern sind auf der Karte als rote Rechtecke nachgezeichnet. Die rote Farbe ist kein Zufall, sie zeigt, dass das Grundwasser unter den Felder verseucht ist, sprich zu hoch mit Nitrat belastet ist.

Eine zu hohe Nitratbelastung im Wasser kann krebserregend sein. Deshalb müssen betroffene Landwirte wie Riedlberger strenge Auflagen für den Wasserschutz befolgen. Vor allem müssen sie ihre Düngermenge, die Hauptgrund für die Nitratverseuchung ist, um 20 Prozent reduzieren. So sieht es eine Verschärfung der Düngemittelverordnung vor, die seit einem Jahr in Kraft ist und eine Ausweisung der roten Gebiete vorgeschrieben hat. Für Riedlberger ist die Folge dieser Verordnung und damit auch der roten Rechtecke klar: Wenn die betroffenen Landwirte weniger düngen, dann sinke ihr Ertrag, befürchtet er, "und dann werden auch manche über den Jordan gehen". Und das Wasser?

"Als Landwirtschaft stehen wir dazu, dass wir die Belastung im Grundwasser möglichst geringhalten wollen", erklärt er. Doch Riedlberger bezweifelt, dass bei den roten Rechtecken alles mit rechten Dingen zugegangen ist, dass die Wasserwerte, auf deren Grundlage die roten Rechtecke gezeichnet wurden, überhaupt stimmen. Stattdessen behauptet er: "Es wird zu wenig und falsch gemessen". Seine Befürchtung: Es gibt mehr rote Rechtecke als eigentlich belastete Äcker. "Und damit werden Landwirte benachteiligt, die eigentlich eine vorbildliche Arbeit machen".

Riedlberger ist mit dieser Ansicht nicht alleine: Nach einem Aufruf des Bauernverbands hat er sich mit anderen betroffenen Landwirten zusammengeschlossen und Anfang Februar eine von zwei Interessengemeinschaften gegründet, um gegen die roten Rechtecke vorzugehen. Beiden Interessengemeinschaften sind bisher insgesamt 280 Landwirte aus Dachau und den umliegenden Landkreisen beigetreten.

"Ein von uns beauftragter Gutachter prüft die Messstellen gerade", erklärt Riedlberger das Vorgehen der Interessengemeinschaften. Glaubt man dem Landwirt, dann dürfte der Gutachter wenig Arbeit haben: Im Einzugsgebiet seiner Interessengemeinschaft gebe es lediglich fünf solcher Messstellen, laut Gesetz seien aber 20 vorgeschrieben. "Ein Versäumnis der Politik", resümiert Riedlberger. Auch die Messtiefe ist nach Angaben des Landwirts ein Problem: "Es wird oft zu nah an der Oberfläche, statt in 30 Metern Tiefe gemessen", erklärt er. Die Wasserwerte, die von den zuständigen Behörden abgeschöpft und analysiert werden, würden deshalb höhere Nitrat-Werte zeigen, als sie eigentlich tief im Boden und damit im Grundwasser sind.

Dem widerspricht der Kreisvorsitzende des Bundes Naturschutz, Roderich Zauscher. "Das mit dem schlechten Messen glaube ich nicht so ohne Weiteres", sagt er am Telefon. Die zu geringe Messtiefe ist für ihn lediglich ein vorgeschobenes Argument der Landwirte: "Je tiefer man misst, desto länger dauert es, bis das Nitrat dann auch dort unten zu finden ist". Das könne man abwarten.

Auch der Forderung der Landwirte, die rot gekennzeichnet Gebiete zu verringern, tritt er entgegen. "Das ist Augenwischerei", sagt er. Wenn man jetzt nichts unternehme, werde das Problem in den kommenden Jahren verschärfen, weil mehr Nitrat in den Boden gelangt. Sinnvoller ist für Zauscher genau das Gegenteil, die Gebiete zum Wasserschutz großflächiger auszuweisen. Die vielen roten Rechtecke sind für Zauscher die Folge einer verfehlten Agrarpolitik der vergangenen Jahrzehnte. Es sei einfach zu viel gedüngt worden.

Bereits im vergangenen Jahr machten die Landwirte zum ersten Mal gegen die roten Rechtecke mobil. Mit Erfolg, die belastete Fläche wurde nahezu halbiert. Josef Riedlberger und den anderen betroffenen Landwirten ist das jedoch nicht genug. Mittlerweile sei der rote Bereich anhand einer Computer-Modellrechnung, "sozusagen am grünen Tisch" erstellt worden, beklagt er. "Niemand von den Verantwortlichen war bisher auf unseren Feldern".

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SZ vom 12.04.2021
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