Süddeutsche Zeitung

Coronakrise und Ausbildungsplätze:Weniger Lehrstellen, aber keine "Ausbildungskrise"

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IHK-Präsident Heinz verweist darauf, dass es immer noch mehr Plätze als Bewerber im Landkreis gibt

Von Gerhard Wilhelm, Dachau/Erding

Ob vor allem die Corona-Pandemie daran schuld ist, das kann die Agentur für Arbeit derzeit noch nicht sagen. Tatsache ist aber, dass die Zahl der bei der Agentur gemeldeten Ausbildungsstellen im Landkreis Dachau in diesem Jahr gegenüber dem Mai im Vorjahr um 12,5 Prozent gesunken ist. "Ein einzelner hauptursächlicher Grund für den Rückgang der Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen lässt sich derzeit nicht erkennen. Vielmehr gehen wir von verschiedenen unternehmerischen Einzelentscheidungen aus, da der Rückgang über verschiedene Branchen zu verzeichnen ist", teilt Christine Schöps, Pressesprecherin der Agentur, mit. Seit Beginn des Berufsberatungsjahres am 1. Oktober 2019 wurden der Agentur für Arbeit Dachau 254 offene Berufsausbildungsstellen gemeldet. Im Mai waren davon noch 334 Stellen unbesetzt.

Da man sich offenbar auch in der Bundesregierung nicht sicher über die Ursachen des Rückgang ist, will das Bundeskabinett am Mittwoch eine Ausbildungsprämie für kleine und mittelständische Unternehmen in der Coronakrise auf den Weg bringen, um Ausbildungsplätze in der Pandemie zu erhalten. Otto Heinz, Vorsitzender des IHK Gremiums Freising/Erding, sieht die Prämie als Anreiz für kleinere Betriebe, "aber parallel der größte Anreiz ist der, Ausbildung zu betreiben, um langfristig kompetente Arbeitskräfte zu haben."

Bei der Arbeitsagentur verweist man darauf, dass die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen immer gewissen Schwankungen unterliege. In Erding sei sie im Berufsberatungsjahr 2018/2019 deutlich angestiegen, weshalb der aktuelle Rückgang mit 19,5 Prozent etwas gravierender ausfalle, als dies in anderen Jahren der Fall gewesen wäre: "Nicht alle Arbeitgeber bilden jedes Jahr neue Azubis aus. Gerade kleinere Unternehmen stellen teilweise erst wieder neue Azubis ein, wenn die ,alten' ihre Ausbildung abgeschlossen haben", sagt Christine Schöps.

"Die Ausbildungsbereitschaft der Arbeitgeber in der Region ist trotz der schwierigen Rahmenbedingungen weiterhin gut. Und das ist wichtig, denn Unternehmen, die heute Ausbildungsplätze anbieten, verfügen in drei Jahren über Fachkräfte, die spätestens nach der Coronakrise wieder dringend gebraucht werden," sagt Nikolaus Windisch, der Leiter der Agentur für Arbeit in Freising, zu der der Landkreis Dachau gehört, und appelliert deshalb an die Unternehmen, offene Ausbildungsstellen verstärkt an die Arbeitsagentur zu melden. "Die Ausbildungsbereitschaft der Arbeitgeber schätzen wir deshalb - trotz rückläufiger Zahlen und der aktuellen schwierigen Rahmenbedingungen aufgrund der Pandemie - auch weiterhin als gut ein. Aber wie in jedem Jahr wird auch 2020 ein wirkliches Resümee zur Lage auf dem Ausbildungsmarkt - wie viele Ausbildungsstellen insgesamt tatsächlich gemeldet wurden - erst im Herbst gezogen werden können", sagt Schöps.

"Belastbare Zahlen, wie es tatsächlich auf dem Ausbildungsmarkt aussieht, erwarten wir erst im Juli, wenn wir Bilanz für das erste Halbjahr ziehen können", sagt IHK-Vorsitzender Heinz. "Wir sehen aber auch mit Corona keine Ausbildungskrise. Den Jugendlichen stehen immer noch genügend Ausbildungsplätze offen." Schon im vergangenen Jahr habe man nicht alle Stellen besetzen können.

582 Jugendliche auf Ausbildungssuche nahmen seit 1. Oktober 2019 das Beratungsangebot der Agentur für Arbeit Dachau wahr - was ebenfalls einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Davon haben mittlerweile 333 eine berufliche oder schulische Perspektive, 249 Jugendliche sind noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit bildet jedoch nur einen Teil der Realität ab, da sie nur Bewerber erfasst, die sich bei der Agentur für Arbeit melden. Ebenso können nur die offenen Stellen aufgenommen werden, die von den Unternehmen der Region gemeldet werden.

Die Lieblingsberufe der Mädchen sind weiterhin Kauffrau - Büromanagement, gefolgt von Medizinische Fachangestellte und Industriekauffrau. Bei den Jungs sind es Kfz-Mechatroniker - Pkw-Technik vor Mechatroniker und Fachinformatiker-Anwendungsentwicklung. Am häufigsten angeboten wurden von den Arbeitgebern Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r , sowie Kaufmann/-frau im Einzelhandel und Fachkraft - Lagerlogistik. Im letzteren Beruf gibt es auch noch die meisten unbesetzten Lehrstellen. Auch im Bereich Zahnmedizin und Einzelhandel sind noch viele Ausbildungsstellen unbesetzt.

"Jugendliche, die aktuell noch auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle sind, sollten unbedingt am Ball bleiben. Zum Bewerben ist es noch nicht zu spät", sagt Christine Schöps.

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SZ vom 18.06.2020
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